Die wirklich große Geburtstagsparty für die Nato wird erst im Juli steigen, beim Nato-Gipfel in Washington, dem Geburtsort des Nordatlantikpakts. Ein bisschen gefeiert wurde am Donnerstag aber schon im Nato-Hauptquartier in Brüssel. Aber trotz des festlichen Rahmens war den Gesichtern der anwesenden Politiker und Militärs deutlich abzulesen, dass ihnen nur bedingt zum Feiern zumute war.
Weniger wegen dem, was die Nato bisher geleistet hat. Das hat auch Generalsekretär Jens Stoltenberg unterstrichen: Die Nato sei die stärkste, langlebigste und erfolgreichste Allianz der Geschichte, so Stoltenberg. Eine Aussage, der sich auch Premierminister Alexander De Croo am Nachmittag vor der Kammer anschloss.
Einer der großen Erfolge der Nato sei, dass sie es geschafft habe, die Einheit der Verbündeten zu bewahren. Und dass sie es geschafft habe, das Prinzip der Abschreckung aufrechtzuerhalten, durch das Versprechen, dass ein Angriff auf ein Mitglied des Bündnisses ein Angriff auf alle Mitglieder sei. Die Nato-Staaten arbeiteten zusammen, um Konflikte zu verhindern und den Frieden zu erhalten für eine Milliarde Menschen, würdigte auch Außenministerin Hadja Lahbib beim Festakt im Nato-Hauptquartier.
Banger Blick in die Zukunft
Es ist also nicht die Vergangenheit der Nato, die den Verantwortlichen Sorgen bereitet, sondern ihre Zukunft. Die hängt ganz maßgeblich von den Vereinigten Staaten ab, genauer gesagt von der Person, die künftig im Weißen Haus sitzen wird. Das könnte unter Umständen bald wieder Donald Trump sein. Zur Erinnerung: Trump hatte sich in seiner ersten Amtszeit eher durch seine Nähe zu Russlands Machthaber Wladimir Putin einen Namen gemacht als durch seine Zuneigung zur Nato. Mehr als einmal hat er öffentlich das Prinzip der Bündnistreue infrage gestellt und Verbündeten gedroht, sie im Fall eines russischen Angriffs im Stich zu lassen.
Diesen Elefanten im Raum kann keiner ignorieren. Auch wenn alle so diplomatisch wie möglich damit umzugehen versuchen und auf die vielen Vorteile verweisen, die Amerika auch von den Europäern habe. Er sei überzeugt, dass die Nato für die Vereinigten Staaten relevant bleibe und ihre Daseinsberechtigung behalten werde. Selbst mit Trump als nächstem Präsidenten der USA, so etwa Generalleutnant Pierre Gérard in der RTBF. Gérard ist der militärische Vertreter Belgiens sowohl bei der Nato als auch bei der EU.
Ein Grund für diese Zuversicht ist natürlich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das sei ein echter Elektroschock gewesen, der die Nato aufgerüttelt und wiederbelebt habe, unterstreicht Gérard. Kleiner Rückblick: Nur wenige Jahre vorher, 2019 um genau zu sein, hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch offiziell den "Hirntod" der Nato verkündet. Eine wohl etwas übereilte Prognose, wie Premierminister De Croo festhält. Heute stelle sich wirklich niemand mehr die Frage nach dem Sinn der Nato.
Belgiens Beitrag zur Nato
Bleibt noch die ewige Frage nach Belgiens Beitrag zur Nato. Denn Belgien ist bekanntermaßen weit entfernt von der Nato-Vorgabe, zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für die Landesverteidigung aufzuwenden. Ein Vorwurf, den sowohl Generalleutnant Gérard als auch der Premier abzuschwächen versuchen durch den Verweis auf die sehr aktive Teilnahme Belgiens an Nato-Missionen. Premierminister De Croo versichert auch, dass Belgien trotz der Querelen in seiner Regierungskoalition am Zwei-Prozent-Ziel festhält.
Was ihn und seine Partei betreffe, so der Premier in einem deutlichen Seitenhieb auf seine Regierungspartner, müsse Belgien dieses Ziel sogar schneller als bisher vorgesehen erreichen, also deutlich vor 2035. Konkret wolle die Open VLD das schon bis 2029 schaffen. Belgiens Ambitionen müssten sich ganz klar an die Umstände anpassen, so De Croo.
Boris Schmidt