"Conner 2.0", dieser wenig schmeichelhafte Spitzname kursiert schon unter den Sozialisten in Antwerpen. Gemeint ist Tom Meeuws, einer der sichtbarsten Vertreter seiner Partei in der Scheldestadt und auch darüber hinaus. Er gehört tatsächlich zu den Antwerpener Lokalpolitikern, die auch außerhalb ihrer Stadt einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben. In seinem Fall war das aber nicht immer aus den glücklichsten Gründen.
2018 war Tom Meeuws der Spitzenkandidat, das Gesicht eines Kartells aus linken Kräften, das eigentlich Bürgermeister Bart De Wever das Rathaus streitig machen wollte. Er musste aber kleinlaut den Hut nehmen, als bekanntgeworden war, dass gegen ihn ermittelt wurde wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten in seiner Zeit bei der flämischen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn. Die Vorwürfe sollten sich als unbegründet erweisen, nur war der Plan inzwischen missglückt: De Wever blieb Bürgermeister. Doch entschied sich der N-VA-Chef für eine Koalition mit Vooruit, und so wurde Meeuws immerhin noch Schöffe im neuen Gemeindekollegium.
Bis der 53-Jährige dann am vergangenen Sonntag doch etwas überraschend von diesem Amt zurücktrat. Gründe nannte er nicht - nur, dass er "müde" sei und dass er genug habe von dem brutalen politischen Geschäft.
Vorwürfe
Zwei Tage später erschien der Rücktritt von Tom Meeuws dann aber doch plötzlich in einem ganz anderen Licht. Die N-VA-Schöffin Nabila Ait Daoud erhob schwere Vorwürfe gegen den früheren Kollegen. So habe Meeuws sie mit Hitler, beziehungsweise mit den Nazis insgesamt verglichen. Außerdem habe er sie als Mocro-Schöffin bezeichnet, beklagt Ait Daoud in einer Mail. Im "Straßen-Flämisch" ist der Wortteil "Mocro" eine abschätzige Bezeichnung für marokkanisch. In Antwerpen hat der Begriff aber auch noch einen anderen, ebenso bitteren Beigeschmack: Spricht man von den Drogenbanden, die die Scheldestadt unsicher machen, dann fällt da häufig die Bezeichnung "Mocromafia". Das Wort "Mocro-Schöffin" habe er aber nie in den Mund genommen, beteuert Tom Meeuws.
"Die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren, da der Wortwechsel nicht im Rahmen einer Öffentlichen Sitzung stattgefunden hat", sagte der Politikwissenschaftler Dave Sinardet in der VRT. Hier steht wohl Aussage gegen Aussage.
Für "kleinere", rassistisch gefärbte Ausrutscher ist Tom Meeuws aber anscheinend schon länger bekannt. Seine Antwerpener Partei- und Schöffenkollegin Jinnih Beels soll er wegen ihrer indischen Herkunft gerne "unsere Braune" genannt haben, ein Kollege mit nordafrikanischen Wurzeln war "unser Marokkaner".
"Das sei doch total harmlos gemeint", sagt Tom Meeuws in einem Interview, das die Zeitung Gazet van Antwerpen am Donnerstag veröffentlicht. Er spreche doch auch von "dem Westflamen", wenn der Betreffende eben aus der Küstenprovinz kommt oder auch von "dem Paki", wenn ein Mensch aus Pakistan stammt. Er sehe das Problem nicht. In der Hitze des Gefechts könne er schonmal scharf werden, manchmal auch scherzhaft. Aber dafür sei er doch nicht gleich ein Rassist.
Rüffel
Genau diesen Stempel hat man ihm jetzt aber verpasst. Parteiintern hatte man ihm auch schon den Begriff "Mocro-Schöffin" unter die Nase gerieben. Vor einer Woche bekam Tom Meeuws dafür vom Vorsitzenden der Antwerpener Lokalsektion einen kräftigen Rüffel. Bei dieser Sitzung soll auch der Begriff "Conner 2.0" gefallen sein. Kurz darauf folgte - quasi postwendend - sein Rücktrittsschreiben, wobei Tom Meeuws selbst betont, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe.
"Conner 2.0". das ist natürlich eine Anspielung auf Conner Rousseau. Der frühere Parteivorsitzende hatte zurücktreten müssen, nachdem eine doch massive rassistische Entgleisung von ihm bekanntgeworden war. Seine Aussagen waren von einem derart unterirdischen Niveau, dass Rousseau sogar von einem Gericht zu einer Therapie verdonnert worden war.
Eben diese Episode stellt denn auch den neuerlichen Knatsch um Tom Meeuws in ein anderes Licht. Denn, welcher Eindruck entsteht hier? Wieder wird ein Sozialist wegen rassistischer Aussagen auffällig. Ausgerechnet Vooruit wollte sich doch eigentlich als das einzig wahre Bollwerk gegen den rechtsextremen Vlaams Belang profilieren. "Diese Geschichte ist für Vooruit vielleicht nicht so schlimm wie die Affäre Rousseau", sagt Politikwissenschaftler Sinardet. Immerhin war Rousseau der Vorsitzende der Partei. Dennoch: Vielleicht hätte man eben im Lichte dieser Affäre mit Tom Meeuws etwas proaktiver umgehen müssen:
Vooruit hat im Moment wohl ein ausgewachsenes Imageproblem.
Roger Pint