De Lijn hat ein klares Ziel: Bis 2035 sollen ihre Busse sauber, also ohne Abgase fahren. Für die Erneuerung der Bus-Flotte bleiben also nur noch etwa elf Jahre. Das ist umso ehrgeiziger, weil De Lijn erst relativ spät damit begonnen hat. Hinzu kommt die Größe der Bus-Flotte: De Lijn wird insgesamt über 3.400 Elektrobusse benötigen. In Betrieb sind bisher gerade mal etwa 50.
Deswegen hatte De Lijn einen neuen Auftrag für die Lieferung von bis zu 500 Elektrobussen ausgeschrieben. Gewonnen hat diese Ausschreibung der chinesische Hersteller BYD. BYD verfügt über eine Fertigungsstraße in Ungarn, was dem Konzern auch die Teilnahme an europäischen Ausschreibungen erlaubt.
Die Entscheidung von De Lijn für BYD sei nicht wirklich verwunderlich, bestätigt Journalist und Mobilitätsexperte Geert Van Lierde in der VRT. Da sei zunächst der Preisfaktor. Die chinesischen Elektrobusse seien günstiger als die europäische Konkurrenz. Aber auch die viel kürzeren Lieferfristen hätten sicher eine Rolle gespielt bei der Entscheidung für BYD.
BYD sei eine der wenigen Firmen, die in einem Zeitraum von einem bis anderthalb Jahren leicht 100 bis 200 E-Busse liefern könnten. BYD ist nämlich seit Jahren einer der Marktführer beim Bau von elektrischen Bussen, vor Kurzem hat die Firma ihren 100.000 E-Bus ausgeliefert. Und nicht nur das, der chinesischen Firma ist es sogar gelungen, Tesla vom Thron des größten Produzenten von E-Autos zu stoßen.
Diese chinesische Dominanz macht sich überall bemerkbar, unterstreicht Van Lierde. Im ersten Halbjahr 2023 seien in Europa, Skandinavien und die Schweiz mitgezählt, rund 2.500 E-Busse ausgeliefert worden. Über ein Viertel davon seien chinesische Modelle gewesen, das stelle einen großen Anteil dar.
Abhängigkeit und Wettbewerbsverzerrung
Aber nur weil chinesische Modelle quasi schon allgegenwärtig sind, heißt das nicht, dass sie unumstritten sind. Das ist zum Beispiel – und nicht zum ersten Mal – die Sorge vor zu großen Abhängigkeiten von autoritären Regimen wie dem in China. Wohin so etwas führen kann, hat ja spätestens der Ukrainekrieg gezeigt und ein Konflikt mit China um Taiwan oder im Pazifik kann nicht ausgeschlossen werden.
Hinzu kommt, dass BYD wie viele chinesische Konzerne massiv staatlich unterstützt wird. Solche Betriebe überhaupt zu öffentlichen Ausschreibungen zuzulassen, sei also nichts anderes als Wettbewerbsverzerrung, warnt Jonathan Holslag, seines Zeichens China-Experte an der Freien Universität Brüssel (VUB).
Europäische Alternativen
Hinzu kommt, dass es nicht nur diverse europäische Alternativen zu BYD gibt, sondern sogar belgische beziehungsweise zumindest in Belgien ansässige – namentlich Van Hool aus Lier in der Provinz Antwerpen und die niederländische VDL, die eine Fabrik bei Roeselare in der Provinz Westflandern hat. Entsprechend groß ist die Enttäuschung dort.
Die flämische Regierung hätte zur Auflage machen können, dass 80, 85 oder 90 Prozent der neuen Busse in Flandern gefertigt werden müssten, so etwa Gewerkschaftssprecher Hans Vaneerdewegh. Das hätte sogar für zusätzliche Arbeitsplätze sorgen können. Die flämische Regierung habe auch nicht die Kosten berücksichtigt, die durch Kurzarbeit oder den Wegfall von Arbeitsplätzen entstehen könnten. Und dafür müsse letztlich ja der Steuerzahler aufkommen.
Ein weiterer Faktor, der ebenfalls nicht berücksichtigt werde, sei die Qualität, so der Gewerkschafter. Denn zwischen einem E-Bus von Van Hool oder VDL und einem von BYD gebe es erhebliche Qualitätsunterschiede, das könnten sogar Laien erkennen. Allerdings darf man hierbei dann auch nicht unter den Tisch fallen lassen, dass De Lijn auch bei den bisherigen Lieferungen von E-Bussen von Van Hool und VDL sehr durchwachsene Erfahrungen gemacht hat – sowohl bei der Einhaltung der Lieferfristen als auch bei der Zuverlässigkeit der Fahrzeuge. Auch das könnte eine Rolle bei der Entscheidung für BYD gespielt haben.
Boris Schmidt