Eines ist dem Premierminister besonders wichtig - nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen Politikern. Es gehe aktuell absolut nicht darum, sich für eine Seite zu entscheiden, für eine der Parteien, so Alexander De Croo vor den Abgeordneten der Kammer, bevor er zum EU-Gipfel aufbrach. Es gehe nur um menschliches Leid, das beendet werden müsse. Deswegen entscheide sich Belgien auch nur für eines: für ein Ende der Gewalt und ein Ende der menschlichen Barbarei.
Dabei ließ der Premier aber nicht den allergeringsten Zweifel daran, für wie verabscheuungswürdig er die Hamas und ihre Gräueltaten vom 7. Oktober hält. Genauso wenig wie an der Tatsache, dass die Entführung von über 220 israelischen Geiseln für ihn ein nicht zu rechtfertigendes Kriegsverbrechen vonseiten der Hamas darstellt. Selbstverständlich habe Israel das Recht, sich gegen eine derartige Barbarei zu wehren, das Recht, es der Hamas unmöglich zu machen, solche Terrortaten zu verüben und das Recht, die Hamas auszuschalten. Aber dennoch müsse sich auch Israel an Regeln halten.
Dieses Recht Israels dürfe niemals missbraucht werden, um Rache zu nehmen und dürfe auch niemals als Erlaubnis aufgefasst werden, Zivilisten zu töten. Israel müsse sein Bestes tun, um nur die Hamas zu treffen und nicht die palästinensische Zivilbevölkerung, da stimme er ganz mit US-Präsident Joe Biden überein, so De Croo. Die palästinensischen Zivilisten würden von der Hamas nämlich ebenfalls als Geiseln missbraucht. Die hohe Zahl von Opfern auf beiden Seiten sei auch nicht hinnehmbar, dieses Blutvergießen sei nicht zu rechtfertigen.
Belgien verlange deswegen eine schnellstmögliche Aufnahme von Verhandlungen, ein entsprechendes Engagement der regionalen Mächte, die Einhaltung der internationalen Menschenrechte und den sofortigen und permanenten Zugang der palästinensischen Zivilbevölkerung zu humanitären Hilfsgütern.
Blockade des Gazastreifens muss aufhören
Die Blockade des Gazastreifens durch Israel sei nicht hinnehmbar und müsse aufhören, machte De Croo später auch vor Beginn des EU-Gipfeltreffens beim sogenannten "Doorstep" noch einmal separat klar. Daran änderten auch die Gräueltaten der Hamas nichts.
Belgien setze sich mit seinen europäischen Partnern vor allem für vier Punkte in der geplanten Abschlusserklärung ein. Die bedingungslose Freilassung aller Geiseln, die Verurteilung der Hamas und ihrer Aktivitäten und die Betonung des Rechts Israels, sich zu verteidigen, wohlgemerkt innerhalb der Grenzen der internationalen Menschenrechte und schließlich auch noch eine humanitäre Waffenruhe. Wobei dieser Begriff - "Waffenruhe" - schon relativ brisant ist. Denn Unterstützer Israels befürchten, dass Israel damit auch dazu aufgerufen werden soll, die Kampfhandlungen einzustellen. Deswegen ist laut Beobachtern wahrscheinlicher, dass sich die EU-Mitgliedstaaten auf den Begriff "humanitäre Pause" verständigen werden statt "humanitärer Waffenruhe". Welche Position Belgien hierbei einnehmen wird, ist weniger klar, denn De Croo hat vor der Kammer beide benutzt.
Auf explizite Nachfrage der Presse nach dem Begriff "Waffenruhe" beim Doorstep hat der Premier jedenfalls nicht geantwortet, sondern erneut von einer humanitären "Pause" gesprochen zur Freilassung von Geiseln und der Versorgung der palästinensischen Zivilisten.
Man werde auch darüber beraten, welche Rolle die Europäische Union als Vermittler spielen könne, so De Croo weiter, es sei wichtig, dass die Betroffenen endlich wieder miteinander redeten. Wenn Belgien dazu beitragen könne, dann werde es das auch besonders energisch tun, gelobte De Croo.
Boris Schmidt