Der Vorstoß, russische Diamanten aus EU und G7 zu verbannen, kam von Premierminister Alexander De Croo. Schon lange hatte er immer wieder beteuert, dass Belgien nicht dagegen sei, auch Diamanten in die Sanktionsliste aufzunehmen. Denn schließlich finanziere Putin auch mit ihnen seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Aber Sanktionen würden eben nur dann Sinn machen, wenn sie nicht dazu führten, dass sich der Handel einfach von Antwerpen an andere Orte verlagere und die russischen Diamanten am Ende über Umwege trotzdem in belgischen beziehungsweise europäischen Geschäften landeten. Der Premier ging sogar so weit, die neue Maßnahme an ein konkretes Datum zu koppeln, nämlich Januar 2024. Ab dann sollen russische Diamanten also aus EU und G7 verbannt werden.
Eine Ansage, die bei Experten auf Skepsis stößt, etwa bei Koen Vandenbempt, seines Zeichens unter anderem Vorstand des "Antwerp World Diamond Center", das den Antwerpener Diamantensektor offiziell vertritt und koordiniert, und des Hohen Diamantenrats. Es sei alles andere als sicher, dass dieser Zeitplan eingehalten werden könne, so Vandenbempt im Interview mit der VRT. Denn die Problematik sei aus mehreren Gründen alles andere als einfach.
Zunächst mal aus rein geografisch-geostrategischen: Der globale Diamantenhandel läuft hauptsächlich über drei große Zentren: Antwerpen in Belgien, Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Mumbai in Indien. Weder Indien noch die Vereinigten Arabischen Emirate würden jemals Sanktionen gegen Russland beschließen, dieses Einfallstor werde also immer offenbleiben.
Indien ist noch aus einem anderen Grund unumgänglich: 95 Prozent aller Rohdiamanten werden in Indien geschliffen, bevor sie ihre Reise in andere Länder fortsetzen. Mit ganz handfesten Folgen für die Nachverfolgbarkeit, wie Vandenbempt ausführt. Bisher läuft es nämlich so: In Indien werden nach dem Schleifen der Rohdiamanten Exportpapiere ausgefüllt, auf denen die Herkunft eingetragen wird - eigentlich eher die angebliche Herkunft. So werde aus einem ungeschliffenen russischen Rohdiamanten plötzlich ein geschliffener indischer Diamant, das System der selbst ausgefüllten Herkunftsangaben funktioniere also nicht.
Nachverfolgbarkeit anders regeln - durch Spektroskopie
Ein Problem, das auch De Croo beim G7-Gipfel hervorgehoben hat, deswegen muss die Nachverfolgbarkeit in Zukunft auch anders geregelt werden, auch darauf hat der Premier explizit beharrt.
Die gute Nachricht ist aber, dass das heutzutage technologisch tatsächlich auch schon möglich ist. Eine Methode, um die Herkunft von Materialien zu bestimmen, nicht nur die von Diamanten, ist die sogenannte Spektroskopie. Diese früher sehr schwierig anzuwendende Technik hat in den letzten Jahren so große Fortschritte gemacht, dass es nun auch möglich ist, mit ihrer Hilfe die Herkunft von Diamanten zu bestimmen, ohne diese zu beschädigen.
Aber auch hier gibt es einen Haken: Um aus den spektroskopischen Daten tatsächlich die Herkunft ablesen zu können, braucht man Vergleichs- beziehungsweise Referenzwerte. Anders gesagt: Man muss die spektroskopischen Werte von verschiedenen Diamantentypen aus allen Minen der Welt haben, um einen Abgleich mit den Daten eines Steins unbekannter Herkunft machen zu können. Nur so kann man eindeutig identifizieren, aus welcher Diamantenmine der fragliche Edelstein kommt.
Wenn man eine entsprechende Referenzdatenbank hat, dann muss diese neue Technologie auch noch überall da eingeführt werden, wo Diamanten in die EU und G7-Staaten hereinkommen, erinnert Vandenbempt. So ein System stelle man nicht auf die Schnelle in ein paar Monaten auf die Beine, das sei bekannt. Auch wenn man bis Januar 2024 noch von einem halben Jahr spreche, werde das sehr viel Arbeit werden.
Boris Schmidt