"Dag Allemaal", das ist so etwas wie die flämische "Hörzu". Eine klassische Programmzeitschrift, nur mit etwas mehr bunten Bildchen und Geschichten über Stars und Sternchen. Dag Allemaal liegt im Norden des Landes quasi in jedem Wartezimmer oder Friseursalon. Politische Scoops produziert die Zeitschrift eigentlich eher nicht. Doch in dieser Woche hat Dag Allemaal einen Sturm ausgelöst, der weit über die Welt der Promis und gekrönten Häupter hinausgeht.
In ihrer aktuellen Ausgabe bringt die Zeitschrift ein Interview mit PS-Chef Paul Magnette. Wenn man die Fotos sieht, dann wirkt es eigentlich noch wie eine eher ungezwungene Story: Man sieht Magnette beim Backen von Sauerteigbrot, eine Beschäftigung, die beruhigend auf ihn wirke, weil der Teig ja so lange gären müsse. Dann sieht man ihn in seinem Gewächshaus, inmitten seiner heißgeliebten Tomaten, und schließlich sogar mit seiner Lebensgefährtin und seinem jüngsten Sohn, eins der sehr seltenen Fotos aus dem Privatleben des smarten Politikers.
Das eigentliche Interview dreht sich dann aber doch fast ausschließlich um Politik. Im Großen und Ganzen geht es um Bart De Wever und vor allem dessen Aussage, dass man den von der N-VA angestrebten Konföderalismus notfalls auch auf "extralegale" Weise durchsetzen könne. Sprich: ohne Zustimmung der Frankophonen, wofür "illegal" wohl das treffendere Wort wäre, aber das ist eine andere Geschichte.
Klischee vom fleißigen Flamen und faulen Wallonen
Und dann kommt Dag Allemaal auf die Unterschiede zwischen Flamen und Wallonen zu sprechen. "Wie kommt es, dass die Arbeitslosenquote in der Wallonie viel höher ist als in Flandern und dass, parallel dazu, die Beschäftigungsrate im Süden des Landes viel niedriger ist als die im Norden?" Magnette verweist erst auf die Vergangenheit, den Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie, versteigt sich dann aber in eine doch gewagte Hypothese: "Die Flamen haben sich nach Jahrhunderten in Armut offensichtlich in die Gene geschrieben, dass sie so hart wie möglich arbeiten müssen. Manchmal vielleicht auf Kosten des eigenen Glücks." Also: das Bild eines quasi obsessiv malochenden Flamen.
"Ist das nicht ein Klischee?", wundert sich Dag Allemaal. Magnette antwortet, indem er auf einen Witz verweist. Den vom wallonischen Fischer, der von einem zufällig vorbeikommenden Flamen gefragt wird, warum er sich kein größeres Boot und zusätzliche Angelschnüre kaufe. Dies, sinngemäß, um dann irgendwann von den Früchten dieser Unternehmung leben zu können und am Ende in aller Ruhe angeln zu können. "Das kann ich jetzt auch schon; warum soll ich mein Glück auf später verschieben?", erwidert der Wallone. Fazit von Magnette: "Wallonen genießen gerne das Leben. Und ist das wirklich so falsch?"
Davon abgesehen, dass Magnettes "Witz" eigentlich nichts anderes ist als eine ziemlich originalgetreue Variation eines berühmten Textes von Heinrich Böll ("Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral"), hat er sich damit den Angelhaken quasi selbst in die Backe befördert, um mal im Bild zu bleiben. Beide Zitate zusammen ergeben nämlich: "Der Flame ist ein krankhaftes Arbeitstier, der Wallone genießt dagegen das Leben, und das ist ok so". Besser hätte man wohl das landläufige Klischee vom fleißigen Flamen und vom faulen Wallonen nicht auf den Punkt bringen können; und bestimmt nicht eleganter.
"Erbärmliche Karikatur"
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. "Magnette beweist, dass er nicht zum Premierminister taugt", giftete der flämische OpenVLD-Vizeministerpräsident Bart Somers auf Twitter. Entsprechende Ambitionen hatte Magnette ja gerade erst signalisiert. "Auch Flamen genießen das Leben; nur lassen sie nicht andere dafür bezahlen", zischte auch der N-VA-Minister Mathias Diependaele.
Und sogar auf frankophoner Seite hat der eine oder die andere Magnettes Aussagen in den falschen Hals bekommen. "Was für eine erbärmliche Karikatur", reagierte Catherine Fonck von Les engagés. "Hören Sie auf, die Wallonen wie Profiteure hinzustellen!", donnerte auch der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez. "Die Frankophonen wollen arbeiten, es ist die PS, die sie daran hindert", fügte er hinzu. Und diese Reaktionen sind lediglich ein kleiner Ausschnitt.
"Mein Gott! Leute! Das war doch nur ein Witz!", reagierte Paul Magnette später auf Twitter. "Wo führt das noch hin, wenn die Pointe eines Witzes verwechselt wird mit einem politischen Statement oder wenn sie bewusst falsch verstanden wird?", empörte sich der PS-Chef auf Twitter.
"Nur" ein Witz also. Nun, so schrieb am Mittwoch die Zeitung De Tijd: "Vielleicht war das so. Nur: Dann war dieser Witz dann schlichtweg deplatziert".
Roger Pint