"Wir erleben hier doch einen historischen Augenblick." Fast schon gerührt konnte der föderale Mobilitätsminister Georges Gilkinet gegen Freitagmittag verkünden, dass SNCB und Infrabel endlich neue Geschäftsführungsverträge bekommen. "Historisch" ist das vor allem deswegen, weil die bisher geltenden Geschäftsführungsverträge aus dem Jahr 2008 stammen. Die Neuformulierung der Ziele war also längst überfällig.
Der Geschäftsführungsvertrag ist ja nichts anderes als eine Art Aufgabenzettel, den es abzuarbeiten gilt. Der Staat formuliert als der Geldgeber, was er als Gegenleistung für sein finanzielles Engagement bekommt.
Die wichtigsten Ziele aus dem Mund des grünen Aufsichtsministers: "30 Prozent mehr Zugreisende, eine Verdopplung des Gütertransports auf der Schiene. Beide Ziele sind innerhalb der kommenden zehn Jahre zu erreichen."
Um das zu schaffen, muss man natürlich das Zugangebot erhöhen. Auch da wird eine Zahl draufgesetzt: Zehn Prozent mehr sollen es sein. Bei der Bahn gilt da eine besondere Maßeinheit: Eigentlich wird die Zahl der "Zugkilometer" erhöht, von 83 auf am Ende knapp 92 Millionen.
"Eisenbahn-Tag" verlängern
Nicht nur, dass wichtige Trassen häufiger bedient werden sollen, man will zudem den "Eisenbahn-Tag" verlängern: Züge sollen am Morgen früher verkehren und auch später am Abend. "So sind die Zugreisenden flexibler, freier", sagt Mobilitätsminister Gilkinet. "Und das ist ein zusätzlicher Ansporn, um auf sein Auto zu verzichten":
Damit das Ganze verlässlicher und auch komfortabler wird, soll die Hälfte der Züge in den nächsten Jahren erneuert werden. Die heutige Flotte ist im Durchschnitt 25 Jahre alt. Einige Fahrzeuge stammen noch aus den 1960er Jahren.
Das alles freilich nicht zum Nulltarif. "Natürlich werden wir beiden Staatsbetrieben auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellen", sagt Georges Gilkinet. Konkret soll die staatliche Dotation bis 2033 um knapp neun Prozent erhöht werden.
Man will wirklich den Eisenbahnverkehr in den nächsten Jahren völlig überdenken. So soll auch das Tarifsystem vereinfacht und außerdem der heutigen Gesellschaft angepasst werden: Flexiblere Abo-Formeln, die noch besser auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind und günstigere Tarife außerhalb der Stoßzeiten. Die entsprechenden Pläne gibt es zum Teil schon. Sie sollen in den nächsten Jahren schrittweise umgesetzt werden.
Wirtschaft und Klimaschutz
Investiert werden soll natürlich auch in die Infrastruktur: Nicht nur in das eigentlich Gleisnetz, sondern auch in die Bahnhöfe. Da kann sich Georges Gilkinet einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen: "Wir werden da in Zukunft auf teure Prestigeprojekte verzichten und nur noch den reinen Nutzen vor Augen haben", sagt der Ecolo-Politiker.
Das ist wohl auch eine Anspielung auf den Calatrava-Bahnhof von Mons, dessen Kosten sich seit 2006 beinahe verzehnfacht haben. Eigentlich sollte das Prestigeprojekt 2015 fertiggestellt werden. Jetzt verspricht man die Eröffnung für das kommende Jahr. Am Ende wird der Bahnhof über 330 Millionen Euro gekostet haben.
Damit soll also nun Schluss sein. Ab jetzt geht es nur noch darum, das Netz zu modernisieren und den heutigen Anforderungen anzupassen. Und das soll dann auch entscheidend dazu beitragen, dass die Pünktlichkeit verbessert wird.
Die Gesellschaftsverträge treten am 1. Januar in Kraft. "Und von da an machen wir uns gemeinsam an die Arbeit, um aus der Eisenbahn das Rückgrat der Mobilitätspolitik der Zukunft zu machen", sagt Georges Gilkinet. "Hier geht es nicht nur um Wirtschaft, sondern auch um Klimaschutz."
Roger Pint
Ich hoffe, dass die SNCB/NMBS ihre neuen Züge ohne die beschwerlich hohen Eingangsstufen bauen lässt!
Vor ein paar Tagen habe ich als Tourist den immer teurer werdenden, aber so schnell nicht fertig werdenden Bahnhof in Mons erlebt. Mir tun diejenigen leid, die seit Jahren regelmäßig auf dieses Provisorium angewiesen sind: Keine Tasse Kaffee, keine Zeitung, keine Toilette zu haben. Stattdessen riesige Umwege zu den Bahnsteigen.
Im übrigen habe ich mit der belgischen Bahn gute Erfahrungen gemacht: Pünktliche Züge (im Vergleich zu dem, was ich oft in Deutschland erlebe), freundliches, hilfsbereites Personal.