Nur noch einmal zum Kontext: Eigentlich einigen sich in Belgien Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Eckpunkte der Lohnentwicklung. Die gelten dann meist für zwei Jahre. Für die kommenden zwei Jahre hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf Eckpunkte einigen können. Weshalb es an der Regierung lag, diese Eckpunkte zu bestimmen.
Eine Tatsache, die Premierminister Alexander De Croo am Donnerstag ausdrücklich kritisierte: Es sei wirklich bedauerlich, sagte er, dass die Sozialpartner nun schon das zweite Mal hintereinander es nicht geschafft hätten, sich auf einen Rahmentarif zu einigen.
Solche Einigungen seien die Grundlage für die gute gesellschaftliche Entwicklung Belgiens nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Umso bedauerlich sei es eben, dass jetzt wieder die Regierung die Aufgabe der Sozialpartner habe übernehmen müssen.
Keine Lohnerhöhung
Beschlossen - auch das noch einmal zur Erinnerung - hatte die Regierung dann folgendes: In den kommenden zwei Jahren soll es keine Lohnerhöhung geben können, also eine Marge zur Lohnerhöhung von 0,0 Prozent. Dafür soll die Indexanpassung beibehalten werden. Die Regierung sieht das vor allem als Maßnahme zum Schutz der Kaufkraft.
Die Mindestlöhne sollen leicht steigen, dafür aber das Arbeitslosengeld etwas weniger, als möglich gewesen wäre. Und Unternehmen mit Gewinnen sollen die Möglichkeit erhalten einmalig Prämien von 500 oder 750 Euro an ihre Mitarbeiter zu zahlen.
"Stehen Sie wirklich hinter diesen Vorschlägen?", wollte PTB-Chef Raoul Hedebouw vom Premier wissen. "Während die Menschen so viele Probleme mit ihrer Kaufkraft haben, haushohe Ausgaben für Energie, Nahrungsmittel und Transport haben - da sagen Sie, dass die Löhne überall blockiert werden sollen?"
Belgische Unternehmen hätten Milliardengewinne eingestrichen. Das sei von Wirtschaftsseite selbst so gesagt worden. Und trotzdem: Keine Lohnerhöhungen?
"Kommt schon, Kollegen von Vooruit, PS, Groen, Ecolo", rief Hedebouw in den Plenarsaal: "Wie könnt ihr die Marge von 0,0 Prozent gutheißen? Ihr wisst, dass die Gewerkschaften dagegen sind."
Wenn alle meckern, ist es ein guter Kompromiss
Natürlich knickten auch die von Hedebouw angesprochenen linken Regierungsparteien nicht ein, sondern verteidigten den Kompromiss der Regierung. Ja, nicht alles sei wirklich im Sinne der Arbeitnehmer gelöst, gab Sophie Thémont von der PS zu. "Aber ich sage mir trotz allem: Wenn unsere Vorschläge vom Unternehmerverband FEB als schlechtes Zeichen gewertet werden, dann heißt das doch, dass nicht alles schlecht ist für die Arbeitnehmer in diesem Kompromissvorschlag."
Will heißen: Wenn alle meckern, ist es ein guter Kompromiss. Den Anja Vanrobaeys von Vooruit gegen alle Kritik von Links-Außen verteidigte. Dass die Indexierung der Löhne weiter beibehalten würde, auch gegen den Widerstand der Arbeitgeber, sei ein großer Erfolg zum Schutz der Kaufkraft der Bürger.
Klassenkampf?
"Es gibt kein einziges Land um uns herum, wo die Kaufkraft so gut geschützt wird wie bei uns", sagte Vanrobaeys. Und so ging die Debatte ohne Sieger zu Ende. De Croo warf Hedebouw noch vor, in den tiefen Gräben des Klassenkampfes zu verharren und diesen Klassenkampf auch noch anzufachen.
Der konterte und warf De Croo vor, aus dem Graben der Wohlhabenden seine Politik zu führen. Am 16. Dezember würde die Regierung beim nächsten Generalstreik der Gewerkschaften schon sehen, was die Arbeitnehmer von den Vorschlägen der Regierung halten.
Kay Wagner