Schon seit Monaten fordert Belgien eine Deckelung der Preise für Gas. Durchsetzen konnte es sich damit bekanntermaßen nicht. Diverse EU-Länder wollten dabei nicht mitspielen, sicher nicht zuletzt die Niederlande und Deutschland. Die diese Woche gemachten Vorschläge der EU-Kommission beinhalten zwar eine Preisdeckelung, aber ausschließlich für russisches Gas. Von vornherein ein Schlag ins Wasser, so das Urteil der föderalen Groen-Energieministerin Tinne Van der Straeten. Das gemeinsame Ziel am Freitag sei doch, die Energiepreise sinken zu lassen, erklärte sie vor Beginn des EU-Sondertreffens bei Radio Eén. Die Preisdeckelung nur für russisches Gas, die die Kommission vorschlage, sei eigentlich eine Sanktion. Es fließe doch kaum noch russisches Gas nach Europa, von 40 Prozent vor dem Krieg sei man nun gerade noch bei neun Prozent. Eine Preisdeckelung ausschließlich für russisches Gas werde also nicht zu einer Senkung der Energierechnungen führen.
Dynamische Preisdeckelung fürs gesamte Gas
Belgien wolle eine Preisdeckelung für das gesamte Gas, das nach Europa importiert werde, so die Energieministerin beim sogenannten "Doorstep" vor dem Beginn des Treffens - also auch eine Preisbegrenzung für zum Beispiel Gas aus Norwegen, das mittlerweile das meiste Gas für Europa liefert, und für Flüssiggas aus Amerika. Die verschiedenen Märkte würden aktuell doch gegeneinander ausgespielt: In den USA koste Gas 30 bis 40 Euro, in Asien seien es letzte Woche 170 bis 180 Euro gewesen, aber in Europa über 300 Euro. Nur wenn alle Gaspreise gedeckelt würden, könne der Preisaufschlag abgebaut werden, der den Europäern wegen des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen Unsicherheit abgeknöpft werde.
Die Preisdeckelung solle aber dynamisch sein, also an die jeweilige Preisentwicklung auf den anderen Märkten gekoppelt werden. Vereinfacht gesagt: Wenn der Preis zum Beispiel auf dem asiatischen Gas-Markt anzieht, würde auch der europäische Preisdeckel angehoben werden, also dynamisch reagieren. So solle vermieden werden, dass Käufer in Asien für die Anbieter attraktiver würden als europäische Käufer. Wenn dieses Gleichgewicht erhalten bleibe, würden Gasströme nicht umgeleitet und so die Versorgungssicherheit Europas nicht gefährdet, so der Gedanke dahinter. Und Versorgungssicherheit ist das A und O. Insbesondere für die Länder, die eine Preisdeckelung bisher abgelehnt haben. Es gebe Bedenken bezüglich der Versorgungssicherheit, die abgebaut werden müssten. Wenn das gelinge, dann glaube sie, dass beispielsweise die deutsche Position nuanciert genug sei, um einer Preisdeckelung zuzustimmen, so Van der Straeten.
Abschöpfung von Übergewinnen der Stromproduzenten
Ein anderer Vorschlag der EU-Kommission ist, dass die Mitgliedsstaaten Übergewinne von Stromproduzenten ab einem gewissen Niveau abschöpfen können sollen. Hierbei geht es vor allem um Strom aus Atomkraftwerken und erneuerbaren Energiequellen. Deren Produktionskosten haben sich ja kaum erhöht, dennoch profitieren sie massiv von der Krise, weil der Strompreis ja vom hohen Gaspreis bestimmt wird. Hier könne man durchaus noch weiter gehen als nur die Abschöpfung der Übergewinne, fordert die belgische Energieministerin: Eigentlich sei für den gesamten Elektrizitätsmarkt und die Art und Weise, wie die Preise entstünden, eine gründliche Reform nötig.
Einwände gegen die anderen Vorschläge der Kommission gibt es ebenfalls nicht: Mehr Energie einsparen und Hilfsmaßnahmen für gefährdete europäische Energielieferanten unterstützt Belgien. Sie wolle, dass am Freitag ein klares Mandat für die Europäische Kommission erteilt werde, damit die bis Mitte September einen realistischen Vorschlag zur Senkung der Energierechnungen ausarbeiten könne, so Tinne Van der Straeten. Umgesetzt werden könne der dann recht schnell, binnen neun bis zehn Tagen. Hierin zu versagen, sei für sie eigentlich keine Option. Man erlebe gerade eine beispiellose Krise. Die Energieminister hätten die Möglichkeit, hier einzugreifen und das sei die Verantwortung, die sie heute übernehmen würden, sagt die belgische Energieministerin.
Boris Schmidt