Die Vorschläge der EU-Kommission würden nicht ausreichen, um eine Senkung der Preise zu bewirken, ließ der Premierminister über seinen Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Belga mitteilen. Der belgische Vorstoß, um das zu erreichen, sei hingegen sehr klar und liege der Kommission auch vor: Es müsse eine Deckelung für alle Gaspreise kommen, unabhängig von seiner Herkunft, also nicht nur auf russisches Gas.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat diese von De Croo bevorzugte Vorgehensweise nicht explizit ausgeschlossen. Auch das liege auf dem Tisch, so von der Leyen, und werde als Option untersucht werden.
In den bisher vorgestellten Plänen der Kommission wird der Vorschlag Belgiens aber eben nicht aufgegriffen. Neben der erwähnten Preisdeckelung nur für russisches Gas empfiehlt die Kommission auch eine Begrenzung der Gewinne aus Stromproduktion mit niedrigen Herstellungskosten. Darunter würde Strom aus Kernkraftwerken und aus erneuerbaren Energiequellen fallen. Von der Leyen erwartet außerdem, dass Gas- und Ölkonzerne einen "Solidaritätsbeitrag" leisten, um die Folgen der Kostenexplosion mit abzufedern.
Am Freitag kommen die Energieminister der Europäischen Union in Brüssel zu einem Sondertreffen zusammen, um darüber zu beraten, wie gegen die hohen Energiepreise vorgegangen werden soll.
Boris Schmidt
Vielleicht sollten wir uns als erstes klarmachen, warum die Gaspreise so hoch sind: Weil durch einen Wegfall der Lieferungen aus Russland die auf dem Weltmarkt verfügbare Gasmenge verknappt wurde.
Ein allgemeiner Gaspreisdeckel ist m.E. letztlich nur eine populistische Maßnahme, die zum einen dazu führt, dass der Gasverbrauch nicht reduziert und zugleich die Menge des in die EU gelieferten LNG-Gases verringert wird, da die EU mit Ländern wie Japan oder Korea konkurriert, die keine Erdgasvorkommen haben.
Ein Kollaps der Gasversorgung würde dadurch lediglich um ein paar Monate hinausgezögert.
Ich sehe nur einen einzigen Weg, um aus der Krise herauszukommen: Man muss bei der Angebotsseite ansetzen und die Gasmengen erhöhen.
Ich befürchte, dass früher oder später die EU ihre Sanktionen gegenüber Russland lockern wird, um von dort wieder in nennenswerter Menge Erdgas geliefert zu bekommen.
Spätestens wenn es zu Massenarbeitslosigkeit kommt und die Bürger dann noch obendrein ihre Gasrechnungen nicht mehr bezahlen können, wird dies geschehen, wetten?
Diese Wette werden Sie gewinnen, Herr Jusczyk.
Sie sprechen in Ihrem Kommentar das Wesentliche an: die Sanktionen gegen Russland. Leider ist in der vergifteten Atmosphäre eine Anlayse dieser Sanktionen ebenso wie eine Diskussion über Sinn und Unsinn darüber nicht möglich, definitiv nicht gewollt und aus Angst tabuisiert.
Die Herrschaften an den Schalthebelchen der Macht sind überfordert, haben keine Antworten und versuchen aktuell nur noch, Zeit heraus zu schinden, bis auch der letzte Untertan das selbständige Denken beginnt.
Ich darf einen unverdächtigen Kronzeugen zitieren:
"Russlands Präsident Wladimir Putin hat bei einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok zum Rundumschlag gegen den Westen ausgeholt. Er sprach von einem "Sanktionsfieber" gegen sein Land, drohte mit einem kompletten Lieferstopp nach Europa und stellte das Getreideabkommen mit der Ukraine infrage."
Und:
"Der Kremlchef sprach von "aggressiven Versuchen, anderen Ländern ein Verhaltensmodell aufzuzwingen, sie ihrer Souveränität zu berauben und sie dem eigenen Willen zu unterwerfen".
(Achtung, er meint nicht das Verhalten seines Landes gegenüber der Ukraine.)
Wozu diese Hysterie, wenn doch die Sanktionen angeblich ein Schuss in den Ofen sein sollen...
"Der russische Präsident Wladimir Putin hat Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf bestimmte Branchen und Regionen eingeräumt. Unternehmen, die auf Zulieferungen aus Europa angewiesen seien, hätten zu kämpfen, sagte Putin beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok."
Wenn er das schon euphemistisch verbrämt einräumt, muss es wohl stimmen.
Oder macht er nun Propaganda gegen sich selbst?
Ich würde mir wünschen, wir könnten ohne eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland auskommen, jedoch befürchte ich, dass dies nicht gelingen wird, da sich das Problem nicht allein durch Geld lösen lässt: Wenn wichtige Firmen nicht mehr ausreichend mit Gas beliefert werden können, sind sie gezwungen, ihre Produktion einzustellen. Gerade für Traditionsunternehmen dürften die Konsequenzen dramatisch sein, wenn wichtige Stammkunden bspw. zu US-amerikanischen Herstellern wechseln, die weitaus günstiger produzieren können, da bei uns die Gaspreise achtmal so hoch sind wie in den Vereinigten Staaten. Jene Kunden, wenn sie einmal zur Konkurrenz gewechselt sind, kommen i.d.R. nicht wieder.
Natürlich muss der Ukraine geholfen werden, aber wir helfen ihr nicht dadurch, indem wir unsere Wirtschaft ruinieren.
Länder wie Katar und Saudi-Arabien sind auch keine demokratischen Musterknaben. Saudi-Arabien führt seit Jahren im Jemen Krieg, nur scheint dies die Menschen hierzulande in weitaus geringerem Maße emotional zu berühren als die Geschehnisse in der Ukraine.
Rein hypothetisch, Herr Jusczyck:
was, wenn Putin die Rücknahme der Sanktionen allein nicht genügt, um die Gaslieferungen wieder aufzunehmen? Was, wenn er seinerseits -da er verstanden hat, wie erpressbar wir sind- weitere Gebietsforderungen damit verbindet oder die bedingungslose Kapitulation der Ukraine und den Kopf Selenskys noch dazu?
Vielleicht auch Estland, Lettland und Litauen, den Stopp der Nato-Mitgliedschaftsprozedur von Finnland und Schweden? Wie wäre es mit Moldau, Georgien,…?
Wir haben es mit einem verbrecherischen Diktator zu tun und uns (insbesondere Deutschland) in eine fatale Abhängigkeit begeben. Der Preis dafür ist gewaltig und bringt die Grundfesten unserer Wirtschaftsordnung ins Wanken.
Solange diese Abhängigkeit besteht sind wir offensichtlich dem Goodwill von Verbrechern und Diktatoren ausgeliefert.
Putin kann kein verlässlicher Partner für den Westen mehr sein und die Geschichte lässt sich nicht zurück drehen.
All dies ist auch Resultat einer Globalisierung, von deren Nutzen wir gerne profitiert und vor dessen Gefahren wir die Augen verschlossen haben.
Die Gefahr der von Ihnen genannten Szenarien besteht durchaus.
Damit es nicht soweit kommt, müsste die EU von Anfang an eine rote Linie ziehen.
Ob es überhaupt Verhandlungen mit dem Kreml geben wird, hängt davon ab, wie schwer uns der Gasmangel im kommenden Winter trifft.
Bei einem milden Winter werden wir hoffentlich mit einigen Einschränkungen und Entbehrungen durch die Krise hindurchfinden, aber bei einem harten mit lang anhaltenden Minusgraden befürchte ich, dass an Verhandlungen mit Moskau kein Weg vorbeiführt.
Ich könnte mir bspw. vorstellen, dass man Russland ein konkretes Angebot unterbreitet, dass man bspw. sagt: "Wir liefern euch wieder Flugzeugteile, wenn ihr die Gaslieferungen wieder in einem vorab vertraglich festgehalten Volumen wiederaufnehmt."
Ob eine derartige Herangehensweise erfolgversprechend ist, weiß ich nicht, aber sollte uns wiirklich das Wasser sprichwörtlich bis zum Halse stehen, wäre es m.E. zumindest einen Versuch wert.
Herr Jusczyk,
ab dem Moment wo wir MadWlad sagen, "wir brauchen dein Gas", wird er verlangen können was er möchte.
Außenminister Lawrow - die Stimme seines Herrn im Kreml - hat im Juli erst wieder die Kriegsziele umrissen... und ausgeweitet.
Zwei Artikel von tagesschau:
"Lawrow droht mit Einnahme weiterer Gebiete" vom 20.07.2022
"Kreml will "Regimewechsel" in Ukraine" vom 25.07.22
Einfach googeln!
Von einem russischen Verhandlungsangebot ist da nirgends die Rede, sondern nur vom einem Diktatfrieden.
Und da soll der Westen seinerseits mit einem solchen Angebot kommen, womöglich noch hinter dem Rücken der Ukraine?
So wie in München 1938?
Wie das geendet hat, wissen wir. Mit der "Zerschlagung der Resttschechei" und WK II.
Aber vielleicht sollte man erst die jüngste Entwicklung abwarten.
Nach neuen russischen Geländegewinnen sieht das jedenfalls nicht gerade aus.