König Philippe scheint zum diesjährigen Nationalfeiertag vor allem der gesellschaftliche Zusammenhalt am Herzen zu liegen. Diese Kohäsion habe sich schließlich in den letzten Monaten auch bewährt.
"Dass wir in der Lage waren, eine Krise wie die Pandemie innerhalb unseres demokratischen Systems zu bewältigen, ist vor allem unserem sozialen Zusammenhalt zu verdanken", betonte der König. Eben dieser Zusammenhalt habe sich auch in der Hilfe für die Opfer der Überschwemmungen gezeigt.
Dann ging der König ausgiebig auf den Krieg in der Ukraine ein. Der habe eine neue Zeit eingeläutet - für die Ukraine und auch für uns, für die ganze Welt. "Wir werden weiterhin das ukrainische Volk unterstützen", so König Philippe. "Wir werden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen durch die Erpressung einer Atommacht."
Die Auswirkungen des Krieges seien aber auch bei uns zu spüren, etwa in Form der galoppierenden Inflation. Und hier gab es ungewöhnlich mahnende Worte des Staatsoberhauptes: "Wir müssen unbedingt vermeiden, dass sich die Kluft zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten vergrößert, dass Armut sich verfestigt oder sogar ausbreitet."
Denn auch hier gehe es letztlich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit auch um das Vertrauen in die Demokratie, sagte König Philippe sinngemäß. "Wir stehen vor vielen Herausforderungen."
Ansprache des Königs zum Nachlesen
Meine Damen und Herren,
diesen Sommer erhalten wir endlich unsere Freiheit zurück, nach mehr als zwei Jahren Kampf gegen das Coronavirus. Auch wenn es uns leider weiterhin verfolgt. Das Leben geht wieder seinen gewohnten Gang. Unsere Wirtschaft nimmt Fahrt auf. Dank wirksamer Maßnahmen zur Unterstützung haben auch die Behörden einen großen Beitrag dazu geleistet. Heute ist Wachstum allmählich wieder in Sicht. Obwohl es immer noch Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt gibt, nimmt die Beschäftigung weiter zu.
Aber einige unserer Mitbürger, besonders die Jugendlichen, gehen geschwächt aus der Pandemie hervor. Sie brauchen ein offenes Ohr, Verständnis dafür, wie sie Dinge erleben - und sie brauchen Ermutigung. Ich bin stolz auf die Arbeit meiner Frau, Königin Mathilde, mit ihrer Unterstützung für die Sensibilisierung und Prävention im Bereich des mentalen Wohlbefindens.
Durch Covid wurde unser ganzes Gesellschaftsmodell schwer auf die Probe gestellt. Aber vor allem dank diesem haben wir durchgehalten. Der Kampf gegen die Pandemie hat bewiesen, dass wir auch in Krisenzeiten gesellschaftliche Kohäsion zeigen. Hierfür ist Zusammenarbeit nötig zwischen unseren Institutionen, zwischen allen beteiligten Akteuren, aber auch ein verbindender öffentlicher Diskurs.
Dass wir in der Lage waren, eine Krise wie die Pandemie innerhalb unseres demokratischen Systems zu bewältigen, ist vor allem unserem sozialen Zusammenhalt zu verdanken. Ein Zusammenhalt, der sich auch zeigte in der Hilfe für die Opfer der Überschwemmungen in Wallonien. Bei unserem jüngsten Besuch in der Region konnten wir feststellen, dass echte Fortschritte erzielt wurden, auch wenn es immer noch Schwierigkeiten gibt.
Mit dem Krieg in der Ukraine hat ein neuer Abschnitt der Geschichte begonnen. In erster Linie für die Ukraine, aber auch für unser Land, für Europa und für die ganze Welt. Leider ist der Krieg wieder allgegenwärtig, ganz in der Nähe, und er verursacht unerträgliches Leid.
Die Ukrainer kämpfen und sterben, um ihr Land zu retten, aber auch, um die Demokratie und die Werte zu bewahren, die wir mit ihnen teilen.
Wir werden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen durch die Erpressung einer Atommacht, die so unsere Solidarität mit der Ukraine brechen will. Wir werden weiterhin das ukrainische Volk unterstützen.
Weltweit leiden viele Länder unter diesem Konflikt, einige sehr stark. In unserem Land spüren wir bereits die direkten Auswirkungen der Inflation, die durch die internationalen Spannungen noch verschärft wurde. Der starke Anstieg der Lebenshaltungskosten droht unsere Wirtschaft, aber auch unsere Gesellschaft zu schwächen. Die derzeitigen Preissteigerungen machen vielen unserer Mitbürgern das Leben schwer. Dies gilt besonders für Haushalte mit geringem Einkommen, Alleinerziehende und Menschen, die von einem Ersatzeinkommen leben.
Wir müssen unbedingt vermeiden, dass sich die Kluft zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten vergrößert. Dass Armut sich verfestigt oder sogar ausbreitet. Unser Gesellschaftsmodell, das auf Integration und Solidarität beruht, kann diese neuen Schocks auffangen. Dies wird jedoch nicht von selbst geschehen. Die hohen Energiekosten machen schwierige Entscheidungen unumgänglich.
Überall um uns herum hören wir eine immer aggressivere Sprache. Wir sehen auch ein Wiederaufleben autoritärer Regime und Reflexe, die nur ihre eigenen Interessen verfolgen, auf Kosten anderer. Lassen Sie uns auf diese Herausforderungen reagieren mit einem unerschütterlichen Vertrauen in die Demokratie. Indem wir Zusammenhalt und Inklusion fördern. Indem wir nicht schüren, was uns spalten könnte. Indem wir mehr Nuance und Wohlwollen wagen.
In dieser Krisensituation ist es gerade der Zusammenhalt der Europäischen Union, der es uns ermöglichte, gemeinsame Lösungen zu entwickeln in den Bereichen Gesundheit, Verteidigung, Energie, und Aufnahme von Flüchtlingen. Dieser Zusammenhalt ist von entscheidender Bedeutung, um zu verhindern, dass die Ungleichheiten zwischen den Mitgliedsstaaten wachsen, zum Nachteil der Bevölkerung.
Schließlich sollten wir in diesen unruhigen Zeiten unser weltweites Ziel, die Bekämpfung der globalen Erwärmung, nicht aus den Augen verlieren. Hoffen wir in diesem Zusammenhang, dass der Preisanstieg fossiler Brennstoffe zur Beschleunigung der Energiewende beiträgt.
Bei unserem Besuch im Kongo konnten wir eine wichtige Seite in unserer gemeinsamen Geschichte mit der Demokratischen Republik Kongo umschlagen. Die Dinge wurden benannt, es erfolgten starke Taten. Wenn wir unsere gemeinsame Vergangenheit mit Besonnenheit betrachten, können wir zusammen die Zukunft gestalten. Das kongolesische Volk hat große Erwartungen an unser Land. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um ihm zu helfen auf dem Weg zu mehr Sicherheit, Gerechtigkeit und Demokratie.
Mit unserer Entwicklungszusammenarbeit, unserer Diplomatie und unserer Armee, die alle eine hervorragende Arbeit leisten. Lassen Sie uns, mit der internationalen Gemeinschaft, an einer Lösung des so tödlichen Konflikts im Ostkongo arbeiten.
Wir stehen weiterhin vor vielen Herausforderungen. Aber wenn wir auf Kurs bleiben, wenn wir unseren Zusammenhalt bewahren, können wir unsere Zukunft sichern. Die Königin und ich wünschen Ihnen einen fröhlichen Nationalfeiertag und einen schönen Sommer. Es lebe Belgien!
Roger Pint