Im blauen Kleid betritt Kattrin Jadin am Donnerstag die Kammer. Passend zu den Farben ihrer Partei, die sie seit 15 Jahren in diesen Räumen vertritt. Sehr oft wird es solche Auftritte nicht mehr geben für Jadin: In rund zwei Wochen geht das Parlament in die Sommerpause. Und wenn alles normal läuft, wird Jadin dann im September schon vor dem König den Eid als Richterin am Verfassungsgerichtshof ablegen können. Ein bedeutender Wechsel im politischen Leben der 42-Jährigen.
"Da hat man schon die ein oder andere Emotion, das stimmt", beantwortet Jadin die Frage, wie es ihr gerade bei dem langsamen Abschied aus dem alten Leben so geht. Allerdings vermittelt sie auch den Eindruck, dass dieser Abschied im Grunde ganz passend für sie kommt. Offen gibt sie bezogen auf ihren Alltag im Föderalparlament zu, "dass sich die Zeiten sehr verändert haben, dass sich die Art, miteinander umzugehen, die Art miteinander zu debattieren, zu arbeiten verändert hat und aggressiver geworden ist, auch weniger Platz für Nuancen bleibt".
Das bedauert Jadin, sieht diese Veränderungen aber nicht nur in der Politik. Auch in der Gesellschaft seien diese Veränderungen zu beobachten. "Der Wind ist rauer geworden", sagt sie später einmal im Gespräch. Schuld daran seien unter anderen die sozialen Medien, glaubt Jadin.
Höhepunkte
Ihre 15 Jahre als Abgeordnete im Föderalparlament wertet sie grundsätzlich als sehr erfolgreich. "Anders machen weiß ich nicht, was ich tun würde", sagt sie. Es habe viele Höhepunkte gegeben, viele zufriedenstellende Arbeiten an Themen und Dossiers. Unter anderem nennt Jadin dabei ihre Zeit als Vorsitzende des Ausschusses für Handelsrecht, ihren Vorsitz im Untersuchungsausschuss zur Dieselgate-Affäre, oder ihre Bemühungen, die föderalen Ausgaben während der langen Regierungsfindung nach den vergangenen Wahlen nicht über Maßen zu strapazieren.
Und natürlich nennt Jadin auch ihre Bemühungen um das Wohl der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Als einzige deutschsprachige Abgeordnete sei da viel Verhandlungsgeschick gefragt gewesen. Was sie aber rasch gelernt und mit der Zeit gut angewendet habe, urteilt Jadin selbst.
"Wir haben auch - ich denke und hoffe, dass man mir das auch anerkennt - dafür Sorge getragen, dass es eine neue Finanzierung für die Deutschsprachige Gemeinschaft gab, die ihr heute die Möglichkeiten gibt, Politiken zu führen, wie sie sie führen kann. Und wir wissen, dass diese auch sehr großzügig sind."
Rückschläge
Daneben habe es aber natürlich auch immer wieder mal Rückschläge und auch Tiefpunkte gegeben. "Ja, nicht nur in der Kammer, im politischen Leben selbst muss man natürlich auch mit Rückschlägen fertig werden. Das ist in der Tat etwas, was einen regelmäßig begleitet, was einen manchmal auch dazu ermutigt weiterzumachen. Manchmal aber auch dazu ermutigt, vielleicht zu versuchen, etwas anderes zu tun."
Einer der Tiefpunkte, der weiter an Jadin zu nagen scheint, war ihr Wahlergebnis bei den vergangenen Föderalwahlen. "Also, ich kann Ihnen versichern, dass der Verlust von 1.000 Stimmen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft bei den letzten Wahlen, wo ich die einzige Abgeordnete in der Kammer war und vor allem vor dem Hintergrund der Kämpfe, die ich da auch geführt habe, natürlich schon etwas war, was mir sehr zu schaffen gemacht hat."
Diese Enttäuschung scheint ihr den Abschied aus der Kammer zu erleichtern. Zumindest hört man das zwischen den Zeilen heraus, wenn man mit Jadin spricht.
Anerkennung
Von ihren Kollegen im Föderalparlament hat Jadin übrigens viel Anerkennung bekommen, als MR-Parteichef Georges-Louis Bouchez sie als MR-Kandidatin für das Richteramt vorgeschlagen hatte.
"Es sind viele auf mich zugekommen und haben gesagt: 'Es ist aber schade, dass du gehst. Andererseits verstehen wir auch, dass man seinem Leben, aber auch seiner beruflichen Laufbahn eine neue Ausrichtung geben will. Das ist schön.' Ich persönlich freue mich natürlich auch darüber, aber es ist natürlich immer schwierig, ein Kapitel definitiv zu schließen, um dann ein neues Kapitel zu beginnen. Es bedarf natürlich einiges an Mut und Reflexion und - mir geht es gut, ja."
Kattrin Jadin lacht noch einmal, bedankt sich für das Interesse und geht dann in ihr Büro, um die anstehende Plenarsitzung vorzubereiten. Oft wird sie das für absehbare Zeit nicht mehr machen.
Kay Wagner
Den sozialen Medien die Schuld zu geben, ist ein geschickter Schachzug von Frau Jaddin.Nur irrt die Dame sich hier.Der Umgangston wird dann rauer, wenn die Zeiten gefühlt schlechter werden.War auch schon so vor Erfindung der sozialen Medien.Ob die Zeiten gut oder schlecht sind, hängt von der Politik ab.
Nein, Herr Scholzen, am rauhen Umgangston ist nicht "die Politik" schuld, sondern es sind einzig und allein diejenigen, die sich so ausdrücken.
Guten Morgen Herr Hezel
Sie sind und bleiben ein guter ostbelgischer Untertan, der überzeugt ist, daß keine Fehler in der Politk gemacht werden.
Dann erklären Sie mir die Ursachen, warum das gesellschaftliche Klima immer rauer wird, viele aggressiver werden.
Die sozialen Medien sind nur der Übermittler, der Transporteur dieser Emotionen und nicht die Ursache, meiner Ansicht nach.
Natürlich macht die Politik Fehler, aber ist das denn ein Grund, sich so auszudrücken, wie sehr viele es in den "sozialen" Medien tun, unter anderem feige anonym?
Und selbstverständlich tragen diese Medien eine Mitschuld, denn sie lassen ja sogar Hassrede zu, weil sie eben nicht alles, was gesagt wird, überprüfen können und auch nicht alles gemeldet wird, oder befeuern sie sogar noch durch ihre spaltenden Algorithmen.
Ex-Boxer Mike Tyson soll einmal gesagt haben: "Die sozialen Medien haben auch alle zu sehr daran gewöhnt, andere respektlos zu behandeln und dafür nicht eins auf die Nuss zu bekommen." ("Social media made y'all way too comfortable with disrespecting people and not getting punched in the face for it")
Anders gesagt, vor allem in den "sozialen" Medien kann jeder auch noch so abfällige oder unsägliche Kommentare hinausposaunen, meist ohne dafür gerade stehen zu müssen oder mit den Konsequenzen rechnen zu müssen.