Vor rund vier Wochen hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen, ein Importverbot für russisches Erdöl zu einem Teil des sechsten Sanktionspakets zu machen. Seither schwebt diese Debatte wie ein Damoklesschwert über der ohnehin oft nicht allzu solide scheinenden europäischen Einigkeit gegenüber der russischen Aggression.
Es ist vor allem – mal wieder, muss man ja sagen – Ungarn, das ein Öl-Embargo blockiert. Obwohl dem Land schon mit großzügigen Übergangsfristen und Finanzhilfen entgegengekommen werden sollte, verweigerte Viktor Orbán kategorisch seine Zustimmung. Das führte bereits im Vorfeld dazu, dass die Idee eines allgemeinen Importverbots aufgeweicht wurde.
Importverbot nur für Öllieferungen per Schiff
Der aktuellste Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel und der EU-Kommission soll vorsehen, dass ein Importverbot zunächst nur für Öllieferungen per Schiff gelten soll. Das würde etwa zwei Drittel der russischen Ölexporte in die EU betreffen. Lieferungen über die ex-sowjetische "Druschba"-Pipeline, die Russland mit Raffinerien in Mittel- und Osteuropa verbindet, sollen vorerst ausgenommen bleiben.
Im Augenblick gebe es noch gar keinen Kompromiss und auch keine Einigung, teilte Viktor Orbán bei seiner Ankunft gegenüber der Presse mit. Ungarn könne sich allerdings mit einem Embargo anfreunden, dass die Pipeline ausnehme. Ungarn fordere allerdings Garantien: Wenn es zu einem Unfall mit der Druschba-Pipeline komme, dann müsse Ungarn das Recht haben, anderweitig russisches Erdöl einzukaufen. Hierzu darf man nicht vergessen, dass der Südstrang der Pipeline, der neben Ungarn auch Tschechien und die Slowakei versorgt, über ukrainisches Territorium verläuft.
De Croo befürchtet Wettbewerbsverzerrung
So weit reichende Zugeständnisse an das ohnehin sehr problematische Ungarn stoßen aber nicht bei allen EU-Partnern auf viel Gegenliebe, diverse Länder sind strikt gegen eine Aufweichung eines Ölembargos. Aus diesem Grund könnten möglicherweise etwa die Niederlande einen entsprechenden Beschluss blockieren.
Dabei sind die Bedenken der Niederländer und anderer auch zumindest teilweise die der Belgier: Premierminister Alexander De Croo befürchtet eine Wettbewerbsverzerrung, wenn einige Länder weiterhin günstigeres russisches Öl kaufen dürfen, andere aber nicht. Neben den bereits genannten osteuropäischen Ländern beziehen nämlich auch Deutschland und Polen Öl über die Druschba-Pipeline. Ein teilweises Importverbot, das nur den Seeweg betreffen würde, würde ihnen also viel weniger wehtun als anderen EU-Staaten.
Das Ziel könne nicht sein, dass Länder wie Belgien und die Niederlande dann viel mehr für ihr Öl zahlen müssten, erklärte Premier De Croo vor dem Gipfel gegenüber der VRT. So eine selektive Maßnahme dürfe nicht den Bürgern zum Nachteil gereichen. Er fordere deshalb Kompensationsmechanismen und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Mitgliedsstaaten.
Es könne bei aller Rücksichtnahme auf die Sorgen mancher Länder nicht sein, dass am Ende ein Öl-Embargo herauskomme, an das sich gerade mal die Hälfte der Mitgliedsstaaten halten müsse. Er habe aber den Eindruck, dass es möglich sein werde, eine Lösung zu finden.
In den letzten Stunden habe man Fortschritte erreichen können, vermeldete jedenfalls Ratspräsident Charles Michel. Er hoffe deshalb, dass man sich in dieser wichtigen Frage einigen werde.
Es gebe nach wie vor keine gemeinsame Position über eine Pipeline-Ausnahme, so derweil EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie hege nur eine sehr geringe Hoffnung, dass es den EU-Staats- und Regierungschefs in den nächsten 48 Stunden gelingen werde, sich diesbezüglich zu einigen. Aber danach, so von der Leyen.
Boris Schmidt
Wir erleben gegenwärtig eine Situation, dass die Kosten für Benzin, Diesel und Heizöl von vielen Haushalten kaum mehr getragen werden können.
Ein Ölembargo dürfte zu einer weiteren Preissteigerung der Erdölpreise führen, die ohne Zweifel auf den Endverbraucher abgewälzt werden wird.
Niemand sollte sich Illusionen machen, dass ein solches Embargo Putin dazu bewegen wird, den Krieg schneller zu beenden.
Statt eines Ölembargos sollte man lieber die Waffenlieferungen an die Ukraine verstärken, um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Herr Jusczyk
Da bin ich einverstanden mit Ihnen. Dieses Embargo ist ein Akt der Selbstüberschätzung.
Hoffentlich geht der Schluss nicht nach hinten los und es kommt zu sozialen Unruhen, die eher Putin helfen würden, aufgrund von Preissteigerungen. Wahrscheinlich wird der Staat von der Situation profitieren und fleißig Steuern kassieren.
Die Industriestaaten sollten die Gunst der Stunde nutzen und ein Gegenstück zur OPEC bilden, also eine Organisation, die das gesamte Rohöl einkauft. So hat man vielleicht mehr Einfluss auf die Preise.
Es wird gelehrt an Unis und Hochschulen, im Wirtschaftsunterricht : der Wirtschaftskrieg ist die Fortsetzung des Militärkrieges in Friedenszeiten...
Da gibt es keine 'Fairness', die Bilder des derzeitigen Krieges, aber auch die börsengetriebene Gewinnsucht, machen das ja wohl sichtbar, im Extremen... und wenn Herr De Croo jetzt mit Fairness kommt, bzw gross fordert, hat er entweder nichts begriffen oder er spielt uns hier den falschen 50ger vor. Er weiss genau, EU/NATO und Co sind doch schon längst im Krieg angekommen und mischen mit ! Aber in den Spielgel wollen viele unsere verantwortlichen Entscheider nicht blicken.