Eigentlich wollte Premierminister Alexander De Croo beim Nato-Gipfel in Madrid Ende Juni groß auspacken: Er wollte den Bündnisgenossen und der Welt mitteilen, dass Belgien bis 2035 die Nato-Vorgabe zu den Verteidigungsausgaben erfüllen werde - also zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Verteidigung ausgeben werde.
Bei dem auch als "Zwei-Prozent-Vorgabe" bekannten Ziel handelt es sich um einen gemeinsam von der Nato im Jahr 2002, also vor 20 Jahren, gefassten Vorsatz. 2014, nach dem Beginn der russischen Militärkampagne gegen die Ukraine und der Annexion der Krim, wurde dieses Ziel auch noch einmal bestätigt. Allerdings sind sehr viele Mitgliedsstaaten des Verteidigungsbündnisses noch immer deutlich vom Zwei-Prozent-Ziel entfernt - auch Belgien. Das will Premier De Croo ändern.
Ob ihm das gelingen wird, ist aber seit Mittwoch doch eher offen: Denn in zwei Interviews sagen die Grünen des Landes - Noch-Vorsitzende Meyrem Almaci für Groen in De Tijd und Jean-Marc Nollet für Ecolo in La Libre Belgique, dass der Premier diese Rechnung ohne sie gemacht habe. Nicht vergessen: Die Grünen sind nicht irgendeine Oppositionspartei, die der Premier getrost ignorieren könnte - nein, sie sind - wie in Deutschland - ein integraler Bestandteil der Regierungskoalition.
Wichtigkeit der Landesverteidigung
Die Grünen sind sich, ohne sich anstrengen zu müssen, Parallelen zum Nachbarland ziehen, ihrer Verantwortung und der Wichtigkeit der Landesverteidigung sehr bewusst. Das bekräftigte Meyrem Almaci auch in der VRT.
Die jahrzehntelangen Einsparungen hätten dazu geführt, dass das belgische Militär auf dem Zahnfleisch gehe. Deswegen hätten die Grünen auch eingesehen, dass die Ausgaben für die Verteidigung erhöht werden müssten.
Aber die zukünftige Ex-Vorsitzende der flämischen Grünen bezieht sich hier auf eine Ende Februar innerhalb der Föderalregierung erreichte Einigung: Damals war beschlossen worden, die Verteidigungsausgaben von 1,10 Prozent auf 1,54 Prozent des BIP zu erhöhen. Das entspricht zwei Milliarden Euro mehr pro Jahr. Die größte Erhöhung der belgischen Militärausgaben der letzten 30 Jahre, wie Almaci betonte.
Wenn De Croo jetzt aber auf zwei Prozent des BIP hoch wolle, dann bedeute das Ausgaben von noch einmal 2,8 Milliarden Euro mehr pro Jahr. Also ein jährliches Verteidigungsbudget von insgesamt dann 12,2 Milliarden Euro - das in einer Zeit, in der Belgien bereits unter sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen ächze.
Wettlauf
Die Grünen befürchteten, dass sich das Ganze zu einem Wettlauf entwickele, von dem niemand wisse, wo er hinführen solle. So hohe Ausgaben seien deshalb nicht mehr angemessen, das Geld könne stattdessen für dringendere Dossiers verwendet werden.
Man spüre hier den Druck der USA und der Nato für "Über-Investitionen" in die Armee, verkündete auch Jean-Marc Nollet für die frankophonen Grünen. Hierzu sagten die Grünen aber "Nein", Belgien habe andere Prioritäten.
Die Groen-Vorsitzende weist außerdem auch darauf hin, dass die russische Aggression gegen die Ukraine und die veränderte Sicherheitslage bereits in der Budgeteinigung von Ende Februar berücksichtigt worden sei - De Croos Vorhaben sei also keine Antwort auf den Ukraine-Krieg.
Boris Schmidt
Ecolo und Groen haben Angst, dass Geld für "schöne Pöstchen" fehlt. Mehr ist nicht. Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen spielt Landesverteifigung keine Rolle in ihrem Denken. Die haben nichts gelernt aus dem russischen Angriff auf die Ukraine. Wenn deren Postenjäger pünktlich das Gehalt bekommen, ist die Welt in Ordnung.