Es knackt wieder einmal hörbar im Gebälk der Vivaldi-Koalition. Der Vorsitzende der flämischen Liberalen OpenVLD, Egbert Lachaert, verlangte am Mittwoch nach zusätzlichen Gutachten zu den potenziellen Auswirkungen der Spannungen mit Russland auf die belgische Energiepolitik.
In diesem Kontext dürfe kein einziges Szenario begraben werden. Der Vorsitzende der flämischen Christdemokraten CD&V, Joachim Coens, ließ verlauten, dass für ihn die Energierechnungen der alles entscheidende Punkt seien.
Grüne stehen alleine da
Eine Aussage, der sich sinngemäß auch Conner Rousseau von den flämischen Sozialisten Vooruit anschloss. Die frankophonen Liberalen MR unter Georges-Louis Bouchez lassen ohnehin keine Gelegenheit aus, um sich für die Atomkraft stark zu machen. Die frankophonen Sozialisten sehen sich derweil wohl auch eher nicht auf Teufel komm raus auf einen Atomausstieg 2025 fixiert.
Und damit stehen die Grünen gefühlt relativ allein auf weiter Vivaldi-Flur. Das Energiedossier brauche vor allem Ruhe und Sicherheit, betonte Groen-Politiker Wouter De Vriendt am Donnerstagmorgen bei Radio Eén. Er ist Ecolo-Groen-Fraktionschef in der Kammer.
De Vriendt verstehe die Nervosität der Arbeitgeber, aber von den Politikern verlange er, dass sie einen kühlen Kopf behielten. Und dass sie sich an das hielten, was vor anderthalb Monaten vereinbart worden sei. Damit meint De Vriendt die Einigung der Regierungsparteien kurz vor Weihnachten.
Endgültige Entscheidung Mitte März
Dabei war die endgültige Entscheidung über den Atomausstieg auf den 18. März vertagt worden. Es sollte verstärkt auf den kompletten Ausstieg gesetzt werden, den sogenannten "Plan A". Eine Laufzeitverlängerung der zwei jüngsten Reaktoren ist der "Plan B" und sollte bis dahin auch nicht völlig ausgeschlossen werden.
Er fordere, dass sowohl diese Einigung als auch die Regierungsvereinbarung respektiert würden, wiederholte der grüne Fraktionsführer mehrfach. Für zwei Bouchez' sei in dieser Regierung nämlich kein Platz.
Über hypothetische politische Szenarien und Folgen wollte der Groen-Politiker auch keine voreiligen Aussagen machen. Aber wenn Regierungen getroffene Vereinbarungen nicht mehr minutiös umsetzten, dann werde das ein Fass ohne Boden.
Versorgungssicherheit
Der Atomausstieg sei für die Grünen im Übrigen kein Selbstzweck, sondern lediglich ein Weg zu einer unabhängigen, nachhaltigen Energieversorgung des Landes durch erneuerbare Energiequellen. Im Kontext der Preissteigerungen in Belgien spiele das russische Gas eine untergeordnete Rolle, nur vier Prozent der belgischen Lieferungen stammten von dort.
Einen ungleich größeren Einfluss auf die Energiepreise hierzulande hätten die unzuverlässigen französischen Atomreaktoren, die oft ausfielen, so De Vriendt. Die Versorgungssicherheit sei für die Grünen wirklich der Heilige Gral. Daran werde man nicht rütteln und daran lasse man auch keinen Zweifel. Alle Szenarien und Daten würden studiert.
Die berechtigten Fragen besorgter Menschen müssten beantwortet werden. Und das werde – wie geplant – am 18. März auch geschehen. Premierminister Alexander De Croo, seines Zeichens flämischer Liberaler, ist ebenfalls sichtlich bemüht, das Regierungsboot nicht unnötig ins Schaukeln kommen zu lassen.
Die Entscheidung werde Mitte März getroffen werden, erklärte De Croo ebenfalls bei Radio Eén. Dem werde er jetzt nicht vorgreifen. Man werde dies auf der Grundlage einer gründlichen und systematischen Herangehensweise tun.
Perspektive auf emissionsfreie Energie
Die Methode, auf die sich die Koalitionspartner geeinigt hätten, werde auch beibehalten werden, so De Croo. Dabei gehe es um zwei Elemente: Die Versorgungssicherheit müsse garantiert werden, ebenso wie die Bezahlbarkeit.
Alles werde berücksichtigt werden, auch die jüngsten Entwicklungen. Die langfristigen Perspektiven müssten jedoch ebenfalls bedacht werden und das bedeute die Entwicklung hin zu einem emissionsfreien Energiesystem. Die Entscheidung über den Atomausstieg werde faktenbasiert fallen. Es gehe um technische Analysen, so De Croo.
Er habe manchmal den Eindruck, dass das Dossier sehr stark politisiert werde. Und das sei für ihn die falsche Herangehensweise, kritisierte der Premierminister.
Boris Schmidt