Begonnen hatte das Ganze am 19. Januar. Seitdem blockieren kanadische Trucker Ottawa, weil sie sich verpflichtend impfen lassen sollen, wenn sie in die benachbarten Vereinigten Staaten fahren. Der oder vielleicht besser die europäischen Ableger nennen sich "European Freedom Convoy", also "Europäischer Konvoi der Freiheit".
Während in Kanada der ursprüngliche Protest der Lkw-Fahrer nach und nach zum Sammelbecken aller möglichen Agenden und Ideologien wurde, war das hier von vornherein der Fall. Viele Experten vergleichen die europäischen Ableger deswegen am ehesten mit der Gelbwesten-Bewegung von vor einigen Jahren.
In Frankreich zum Beispiel, wo die Konvois am meisten Anhänger zu finden scheinen, sind die Forderungen denn auch verwirrend divers: Vom freien Personenverkehr, Meinungsfreiheit, einem Ende der angeblichen "Gesundheitsdiktatur" und aller Corona-Vorschriften über niedrigere Energiepreise bis hin zu höheren Renten wird alles gefordert. Hardcore-Impfgegner und Verschwörungstheoretiker jeglicher Couleur finden sich neben Arbeitslosen und Aktivisten aus dem links- und rechtsextremen Spektrum.
Die Resonanz beziehungsweise Militanz scheint in Frankreich am stärksten, in Deutschland etwa scheinen entsprechende Aufrufe viel weniger Widerhall zu finden. Es ist aber extrem schwierig, von Reaktionen in Sozialen Netzwerken auf die reale Welt zu schließen.
Die Zeitung La Dernière Heure etwa berichtet, dass eine Organisatoren-Facebookgruppe 350.000 Mitglieder habe. Ein belgischer Chatkanal der Organisatoren soll 13.000 Mitglieder haben, berichtet unter anderem De Standaard. Aber wie viele davon reale Personen sind und tatsächlich aktiv protestieren würden - ein großes Fragezeichen.
Am Montag in Brüssel - Verbot
Aus verschiedenen französischen Städten sind jedenfalls bereits Konvois aus Lkws, Traktoren, Wohnmobilen und anderen Fahrzeugen aufgebrochen. Sie wollen ab Freitagabend den Großraum Paris lahmlegen und danach weiterziehen, um am Montag in Brüssel am Jubelpark, am Atomium oder auf dem Autobahnring mit ihrer Blockade zuzuschlagen. Neben den französischen Konvois sollen angeblich auch welche aus Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg dazustoßen, plus natürlich belgische Verstärkung. Wieviel davon Fantasie ist und wieviel Fakt - niemand weiß es zum jetzigen Zeitpunkt. Eine Anfrage für eine Genehmigung der Protestaktion gab es nicht.
Die Behörden wollen jedoch kein Risiko eingehen. In Paris wurde der Konvoi der Freiheit verboten, Brüssel zog kurz darauf nach. Die Demonstranten wollten die Stadt, ihre Einwohner und ihre Händler als Geisel nehmen und alles lahmlegen - das sei nicht hinnehmbar, erklärte Brüssels Bürgermeister Philipe Close in der RTBF. Die Menschen könnten zum Demonstrieren in die Stadt kommen - aber nicht mit ihren Fahrzeugen und Lkws.
Das stellte auch Innenministerin Annelies Verlinden in der VRT unmissverständlich klar: Die Demonstration mit Lkws ist verboten, das habe man in Absprache mit dem Bürgermeister der Stadt und dem Ministerpräsidenten der Region Brüssel, Rudi Vervoort, beschlossen. Es dürfe kein "Konvoi der Freiheit" veranstaltet werden, weder in der Hauptstadt noch im Land. Zufahrtsstraßen und Grenzen würden kontrolliert, um zu verhindern, dass eine Situation wie in Kanada entstehen könne. Die föderalen, regionalen und lokalen Ebenen würden eingreifen, um eine Blockade zu verhindern. Auch zum Beispiel Gent und Wien haben mittlerweile weitreichende Verbote ausgesprochen.
Von Polizei begleitet
Man werde mit kontrollierten Demonstranten sprechen und ihnen erklären, was erlaubt sei und was nicht, erklärte Sprecherin An Berger von der Föderalen Polizei. Neben der Lage vor Ort würden auch die Sozialen Medien genau überwacht. Die Polizei tausche sich mit den Kollegen im Ausland aus, um auf dem Laufenden zu bleiben. Eventuelle Konvois würden von der Polizei begleitet werden: Wer mit seinem Fahrzeug demonstrieren will, soll auf einen Parkplatz am Atomium geleitet werden, heißt es. Echte und feste Grenzkontrollen seien zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht geplant. Denn das würde auch normale Lastwagenfahrer behindern, die die Grenze nach Belgien ganz normal im Rahmen ihrer Arbeit überschritten.
Demonstranten, die sich den Auflagen widersetzen, drohen auch Strafen: Die reichen von 135 Euro für die Teilnahme an verbotenen Protesten bis hin zu einem halben Jahr Gefängnis und 7.500 Euro Strafe für Organisatoren.
Boris Schmidt