Man muss schon genau zuhören, um die Botschaft richtig zu verstehen. Bislang sind es nämlich nur Auszüge aus einem Interview, das am Dienstagabend ab 21:20 Uhr in der TV-Sendung "Op Slot" auf dem flämischen TV-Kanal Canvas komplett ausgestrahlt werden soll. Zu Gast ist dort der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit).
Das Gespräch soll sich um den Gesundheitspass drehen, der im Zuge der Corona-Pandemie das Licht der Welt erblickt hat. Dieser Gesundheitspass, oder auch Corona-Pass, wird zurzeit in Belgien an all die Menschen vergeben, die sich entweder haben impfen lassen, eine Corona-Erkrankung überstanden haben oder negativ getestet wurden.
Bald schon könnte dieser Pass vielleicht nur noch an Menschen vergeben werden, die sich haben impfen lassen. Nach Beobachtungen von Vandenbroucke findet dieser Prozess in einigen Ländern bereits statt. In einem Auszug aus dem Interview von Dienstagabend, das die VRT schon jetzt veröffentlicht hat, analysiert der Minister: "Wenn man sagt, dass man mit einem Impfzertifikat funktioniert anstelle eines Impf- und Testzertifikats - so, wie es schon in einigen Ländern passiert - dann ist das praktisch eine Art und Weise, dieses Impfzertifikat zur Pflicht zu machen."
Weiter sagt der Minister in den vorab veröffentlichten Auszügen des Interviews: "Ein reines Impfzertifikat bedeutet im Grunde, dass die Menschen, die ein großes Risiko für sich selbst eingehen und damit auch für den Gesundheitssektor und die Menschen in ihrer Umgebung, nicht die gleichen Möglichkeiten bekommen werden, wie andere Menschen, die diese Möglichkeiten behalten. Mit so einem Prinzip habe ich keine Schwierigkeiten."
Wie gesagt, es ist etwas undeutlich. Letztlich ist die Botschaft jedoch: Vandenbroucke hätte nichts dagegen, eine Impfplicht in Belgien einzuführen für all diejenigen, die ein Leben wie vor Corona eines Tages wieder leben wollen.
Viele Reaktionen gab es am Dienstagnachmittag zunächst nicht zu dieser Minister-Meinung. Am Mittwoch steht auch erst einmal ein neuer Konzertierungsausschuss zur aktuellen Corona-Lage auf dem Programm. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird es da nicht um eine Impfpflicht gehen, sondern vielmehr um kurzfristigere Maßnahmen, wie Belgien mit der zu erwartenden Omikron-Welle umgehen soll.
Trotzdem: Die Idee der Impfpflicht geistert bereits in der Regierung herum. Das machte auch das Interview der RTBF mit MR-Vizepremierministerin Sophie Wilmès am Dienstagvormittag deutlich. Auch da ging es um eine eventuelle Impfpflicht, die über den Corona-Pass eingeführt werden könnte. Wilmès versuchte, die Aktualität der Frage zunächst herunterzuspielen. Sie verwies auf einen Bericht, den die Regierung in Auftrag gegeben habe. Der solle aus "juristischer, ethischer und wissenschaftlicher Sicht die Frage beleuchten. Um zu erfahren, in welche Richtung wir gehen können. Ich betone aber noch einmal, dass man sich nicht aus ideologischen Gründen dazu verleiten lassen sollte, schon jetzt zu sagen, was wir mit dem Bericht anfangen werden. Wir sollten ihn lesen und dann muss eine gesellschaftliche Diskussion stattfinden. Ich würde mir wünschen, dass sich das Parlament damit beschäftigt, damit wir uns alle hinter eine Entscheidung stellen können."
Sie selbst, fügte Wimès hinzu, sei zurzeit weder für noch gegen eine Impfpflicht. "Wofür ich allerdings bin, oder besser gesagt gegen bin, ist eine scheinheilige Botschaft, die eine Impfpflicht de facto einführt, ohne aber die Konsequenzen tragen zu wollen", so die Ministerin. Was genau Wilmès damit gemeint hat, ging in der Frage des Journalisten unter. Bleibt die Erkenntnis: Eine Corona-Impfpflicht kommt langsam auf die Tagesordnung der Politik. Erste Sympathiebekundungen für eine solche Corona-Impfpflicht aus Reihen der Föderalpolitiker gibt es auch schon.
Kay Wagner