Erst war es nur eine Ankündigung, jetzt wird es doch plötzlich sehr konkret: Die Impfpflicht für Pflegekräfte nimmt Gestalt an. Die Föderalregierung will da offensichtlich mit aller Konsequenz vorgehen. "Wir reden hier von allen Berufsgruppen, die unmittelbar im Gesundheitswesen beschäftigt sind", sagte der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke in der VRT: Das Personal von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, aber auch Ärzte, Physiotherapeuten, Logopäden und eigentlich auch Apotheker.
Geplant ist, dass die Impfpflicht für medizinisches Personal am 1. Januar in Kraft tritt. Dann beginnt zunächst eine Übergangsfrist. In dieser Phase müsste das Personal im Gesundheitssektor entweder eine Impfung nachweisen oder einen negativen PCR-Test vorlegen. Wer das nicht macht, für den gilt dann noch eine Kurzarbeiterregelung. Diese Frist endet aber am kommenden 1. April. Ab dann gilt, dass Ungeimpfte nicht mehr im Gesundheitswesen arbeiten dürfen. Das bedeutet, dass sie dann entlassen würden. Sie hätten dann aber Anrecht auf Arbeitslosengeld, sagt Vandenbroucke.
"Entlassen" ist natürlich gleich die drastischste aller Sanktionen. "Aber, wir sind doch nur konsequent", begründet der Gesundheitsminister die Haltung der Regierung. "Wenn wir die Impfung als conditio sine qua non betrachten, um im Gesundheitswesen zu arbeiten, dann ist es doch folgerichtig, dass diejenigen, die nicht geimpft sind, eben diesen Beruf nicht mehr ausüben können", sagte Vandenbroucke in der RTBF.
Entscheidung im Alleingang getroffen
Dennoch: Dass ungeimpftem Personal im Gesundheitswesen gleich die Entlassung droht, hat die Gewerkschaften doch hörbar auf die Palme gebracht. Die Regierung habe ihre Entscheidung im Alleingang getroffen und es nicht für nötig befunden, die Arbeitnehmervertretungen auch nur anzuhören. "Und das ist eine Schande!", wetterte Yves Hellendorf von der christlichen Gewerkschaft CNE. Die Lage in den Krankenhäusern sei ohnehin schon äußerst prekär, sagt Hellendorf. Der Druck sei enorm, die Erschöpfung groß, es gebe viele Burnouts. Jetzt auch noch so etwas? Das sei doch total demotivierend, sagt der CNE-Gewerkschafter.
Hellendorf kritisiert vor allem die Tatsache, dass die Maßnahme allein für den Gesundheitssektor gilt. "Gäbe es eine allgemeine Impfpflicht, dann ist klar, dass man bei uns anfängt. Aber so, wie das jetzt geplant ist, werden unsere Leute stigmatisiert. Das ist ungerecht".
Gesundheitsminister Vandenbroucke kann diese Argumentation offensichtlich nicht nachvollziehen. Es sei doch nur logisch, mehr noch, eine Pflicht, dass jemand, der im Gesundheitswesen arbeitet, seine Patienten bestmöglich schützt - und dass er auch sich selbst schützt, um nicht krankheitsbedingt auszufallen und damit den Dienst aufrechtzuerhalten.
Flämische Arbeitgeber für Impfpflicht
Nur: Läuft man da nicht Gefahr, dass man dadurch noch mehr Beschäftigte verliert, während die Dienste doch jetzt schon händeringend nach Personal suchen? Vandenbroucke scheint das in Kauf zu nehmen. Insbesondere flämische Arbeitgeber sehen das offensichtlich ähnlich. Es ist natürlich schade um die Mitarbeiter, sagte Katrijn Van Rossem, die Leiterin eines Alten- und Pflegeheims in der VRT. Aber: Wenn sie abwägen müsse zwischen der Impfpflicht und dem Verlust von Mitarbeitern, dann entscheide sie sich für die Impfpflicht.
Margot Cloet, die Vorsitzende des flämischen Pflege-Dachverbandes Zorgnet-Icuro, sieht das ähnlich. Sie sähe aber in der Impfpflicht für das medizinische Personal eigentlich gerne nur eine erste Etappe - vor der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Das sei ihrer Ansicht nach der einzige Ausweg aus dieser Krise, sagte Cloet in der VRT. Eine allgemeine Impfpflicht ist aber eine andere Geschichte. Nach Worten von Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke liegt eine solche Maßnahme bislang (noch) nicht auf dem Tisch der Regierung.
Föderalminister einigen sich auf Impfpflicht für Pflegekräfte
Roger Pint