Nach dem flämischen Nein zum neuen Gaskraftwerk in Vilvoorde brannte den Abgeordneten eigentlich nur eine Frage unter den Nägeln: "Wie können wir die Versorgungssicherheit gewährleisten und wir sicherstellen, dass nach 2025 nicht das Licht ausgeht?"
Die Opposition übte naturgemäß harsche Kritik an der föderalen Energieministerin, auch der N-VA-Abgeordnete Bert Wollants, wobei doch eigentlich seine Parteikollegin Zuhal Demir das Problem erst geschaffen hat, indem sie die Genehmigung für das Gaskraftwerk verweigerte. "Sie hat als Umweltministerin das gemacht, was man von einer Umweltministerin erwartet", sagte Wollants. "Sie hat sich für den Schutz der Umwelt entschieden."
Das sieht man innerhalb der Mehrheitsfraktionen freilich ganz anders. Da war immer mal wieder von "Sabotage" die Rede. Energieministerin Tinne Van der Straeten nahm dieses Wort nicht in den Mund. Sie rief erstmal nur die Fakten in Erinnerung. Erstens: Das Gaskraftwerk, das in Vilvoorde geplant war, wäre das modernste und flexibelste in ganz Europa. Zudem hätte dieses Kraftwerk eine bestehende ältere Anlage ersetzt. Und alle zuständigen flämischen Stellen hätten auch eine positive Empfehlung ausgesprochen, betont Van der Straeten.
"Es gab keinen Widerspruch - nur dann eben am Ende durch die Ministerin", sagte die Groen-Politikerin. Davon abgesehen, sie führe doch letztlich nur aus, was die Vorgängerregierung beschlossen habe und was durch fast alle Parteien so auch im Parlament verabschiedet wurde. In der Tat: Der Plan, künftig auf Gaskraftwerke zu setzen, der stammt von der Vorgängerregierung. N-VA und im Übrigen auch MR haben das seinerzeit mitgetragen.
Politische Spielchen seien hier in jedem Fall fehl am Platze, sagte die Ministerin sinngemäß. Dafür sei das Ganze zu ernst. Hier gehe es nämlich nicht mehr um den Atomausstieg. Hier gehe es einzig um genau das, was alle angemahnt haben: nämlich die Versorgungssicherheit. Jetzt werde man erstmal die Situation neu bewerten, sagte Van der Straeten. Es gebe noch Möglichkeiten, zum Beispiel könne man die Entscheidung der flämischen Umweltministerin anfechten. Zum jetzigen Zeitpunkt könne sie sich aber noch nicht abschließend dazu äußern.
In jedem Fall wolle sie aber alle Beteiligten noch einmal dazu aufrufen, eine konstruktive Haltung einzunehmen. Unabhängig vom Inhalt der Akte stellt sich hier doch vor allem eine Frage, sagte Van der Straeten: "Wollen wir Lösungen anbieten oder Probleme schaffen?"
Auch Streit innerhalb der Mehrheit
Langsam aber sicher heizte sich dann aber die Atmosphäre auf. Denn immer deutlicher zeigten die Mehrheitsfraktionen mit dem Finger auf die N-VA. "Wir brauchen Lösungen, keine Sabotage", giftete etwa der Vooruit-Abgeordnete Kris Verduyckt.
Doch auch innerhalb der Mehrheit begann es zu rumoren. Die MR-Abgeordnete Marie-Christine Marghem - die das Amt in der Vorgängerregierung inne hatte - übte ebenfalls hörbare Kritik an der Energieministerin. "Sie haben wie immer unsere Fragen nicht beantwortet. Sie haben gemacht, was sie immer machen: Pirouetten."
Da die Ministerin nicht mehr antworten durfte, übernahm das der Ecolo-Abgeordnete Samuel Cogolati. "Eine Verlängerung der Atomkraft ist keine Lösung", sagte Cogolati. Das seien nicht seine Worte, sondern die von Marie-Christine Marghem. "Sie, Frau Marghem, sie sind die Königin der Pirouetten." Als Cogolati das Rednerpult verließ, ging die Diskussion erst richtig los.
Dabei darf man nicht vergessen: Ecolo und MR - es sind Koalitionspartner, die sich hier streiten. Das war auch der Opposition nicht entgangen. Die Koalition steht offensichtlich gerade unter 'Hochspannung'.
Roger Pint