Eine neue Impfkampagne soll ab September die doch weit hinterherhinkenden Hauptstädter da abholen, wo sie sich eh öfter aufhalten: Im Möbel- oder Bekleidungsgeschäft und sogar im Supermarkt. Das ist zumindest im Kern der Gedanke, den die Brüsseler Behörden gemeinsam mit dem Einzelhandelsverband Comeos hatten.
Erfahrungen aus anderen Ländern
Erfunden haben sie die Idee von Impfungen in den beziehungsweise auf dem Parkplatz vor den Geschäften allerdings nicht, wie Inge Neven bei Radio Eén zugab. Sie ist die Covid-Verantwortliche der Brüsseler Gesundheitsinspektion. Das sei unter anderem bereits in Frankreich praktiziert worden. Und habe sich als recht erfolgreich erwiesen, so Neven.
Einmal-Impfstoff Johnson&Johnson
Verimpft werden soll in Brüssel das Johnson&Johnson-Vakzin. Von dem braucht man nur eine Dosis, weshalb es aus offensichtlichen Gründen ideal für diese Art von Kampagne ist. Außerdem wird auch immer medizinisch geschultes Personal vor Ort sein, um Fragen zu beantworten und Zweifel abzubauen. Das Ganze soll ein Angebot sein, wie auch Dominique Michel, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Comeos, in der RTBF betonte.
Information statt Marketing
Jeder könne selbst entscheiden, ob er sich impfen lassen wolle oder nicht. Das sei keine Marketingkampagne, um Menschen zu zwingen. Es sei einfach eine Informationskampagne, um den Leuten zu sagen: Hier könnt ihr euch impfen lassen, so Michel.
Impfung im Interesse der Geschäfte
Er sieht dabei übrigens nicht nur Vorteile für die Kunden. Er gibt auch ganz offen zu, dass das auch im Interesse der Geschäfte ist. Denn je mehr Menschen sich impfen lassen, desto kleiner die Gefahr neuer Wellen, Beschränkungen und im schlimmsten Fall erneuter Schließungen. Und auch die Gefahr einer Ansteckung des Personals wird verringert.
Breite Verteilung der mitmachenden Läden
Die Geschäfte, die jetzt erstmal mitmachen, sind nicht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden, sondern über die gesamte Hauptstadt verteilt in Stadtgemeinden mit sehr hoher Bevölkerungsdichte. Darüber hinaus ziehen sie eine sehr große und sehr diverse Kundschaft an, gerade auch anlässlich des großen Wiederbeginns nach den Sommerferien.
Jüngere sowie sozial schwächere Menschen im Fokus
Darunter seien besonders viele jüngere Menschen, wie Neven erklärt. Das ist die Bevölkerungsgruppe, die in Brüssel besonders zurückhaltend in puncto Impfung ist. Es gibt aber auch eine große Schnittmenge zwischen ihnen und einer weiteren Bevölkerungsgruppe, in der die Impfzahlen besonders schlecht sind: den gesellschaftlich und wirtschaftlich oft schwächeren Menschen, die sich besonders in Stadtgemeinden wie Molenbeek, Saint-Josse, Anderlecht und so weiter konzentrieren.
Diese Menschen sind für die klassischen Impfkampagnen oft viel schwieriger zu erreichen. Natürlich bedeute eine Impfung in einem Zentrum einen viel geringeren Aufwand für die Behörden, so Neven. Aber man habe festgestellt, dass das inzwischen nur noch wenige Menschen in Anspruch nähmen und man deshalb näher zum Bürger müsse. Und das funktioniere auch, sagt sie.
Ausweitung der Kampagne denkbar
Natürlich werde die neue Kampagne das Brüsseler Impfproblem nicht lösen, räumt Comeos-Chef Michel ein. Aber er hoffe trotzdem, dass sie dazu beitragen werde, um möglichst viele Menschen zu impfen. Und wenn sich das Ganze als Erfolg herausstelle und eine entsprechende Nachfrage bestehe, dann könne man die Kampagne auch auf weitere Einkaufsketten ausweiten. Und vor allem auch auf andere Orte. Denn Brüssel sei nicht die einzige Stadt, die mit solchen Problemen zu kämpfen habe.
Boris Schmidt