Erstmal waren da die Vertreter der Mehrheitsfraktionen, die das Abkommen über den grünen Klee lobten. Die Erhöhung des Mindestlohnes sei ein gigantischer Sieg, meinte etwa Evita Willaert von Groen. "Historisch", dieses Wort nahmen insbesondere die Sozialisten und Grünen in den Mund.
13 Jahre lang habe man auf eine Erhöhung des Mindestlohnes warten müssen. "Und wir haben es geschafft", jubelten Sophie Thémont von der PS und Anja Vanrobaeys von Vooruit, also von den beiden sozialistischen Fraktionen. "Wir haben das geschafft, was bis vor Kurzem noch unvorstellbar war, und das trotz der derzeit doch widrigen Umstände."
"Von wegen!", giftete aber Raoul Hedebouw von der marxistischen PTB. "Wie können Sie behaupten, dass dieses Abkommen historisch sein soll?" Und dann wurde es technisch. Es ist so: Laut dem Entwurf wird der Mindestlohn in drei Schritten um jeweils monatlich 50 Euro steigen - 2022, 24 und 26. Diese Erhöhungen des Mindestlohnes würden nur den Mindestlohn betreffen, der für 18-Jährige gilt, sagt Hedebouw - "und das wissen Sie ganz genau." Die höheren Altersgruppen bekämen deutlich weniger, behauptete Hedebow.
"Will die PTB jetzt tatsächlich auch dieses Abkommen wieder madig reden", wetterte später der PS-Arbeitsminister Pierre-Yves Dermagne. "Sie behaupten, auf der Seite der Arbeiter zu stehen, und doch fegen Sie eine historische Erhöhung des Mindestlohnes vom Tisch. Damit reden Sie auch die Leistungen der Vertreter eben dieser Arbeiter klein", sagte Dermagne, der sich direkt an Hedebouw wandte.
Wenn es für die linke Opposition also durchaus mehr hätte sein müssen, so kam von der rechten Seite vernichtende Kritik in die andere Richtung. "Das Abkommen geht viel zu weit", schnaubte Björn Anseeuw von der N-VA. "Was Sie den Menschen nicht sagen, das ist, dass immer weniger junge Menschen einen Job finden werden, da die Bruttokosten steigen werden", wandte sich Anseeuw an die Regierungsvertreter.
"Stimmt nicht!", erwiderte später Arbeitsminister Pierre-Yves Dermagne. Es gebe keine Studie, die beweise, dass eine Erhöhung des Mindestlohnes Jobs vernichte. Im Gegenteil. Der N-VA-Politiker legte aber nach: Es sei doch so, dass die Regierung ja doch einen Großteil der Mehrkosten übernehme, die durch die Erhöhung des Mindestlohnes entstehen, und zwar durch eine Verringerung der Lohnnebenkosten. "Wissen Sie, die Flamen sind nicht blöd", sagt Björn Anseeuw. Er wisse, dass er dafür am Ende die Zeche zahlen werde.
Premierminister Alexander De Croo reagierte "schelmisch salomonisch" auf das Gezanke: Also wenn er sich die Kritik von links und von rechts so anhöre, dann könne das nur bedeuten, dass das Abkommen tatsächlich ausgewogen ist. "Und jetzt mal ehrlich: Wir sprechen hier über Menschen, die knallhart arbeiten und die dafür eigentlich nur einen bescheidenen Lohn kassieren. Ist es jetzt linke oder rechte Politik, wenn man dafür sorgt, dass es diesen Leuten besser geht? Das ist weder links noch rechts, das ist ganz einfach gute Politik."
Davon abgesehen: Das Verbraucher- und auch das Unternehmervertrauen seien so hoch wie seit 2007 nicht mehr. Wenn sich die Sozialpartner nicht hätten einigen können, dann hätte man dieses Vertrauen torpediert. "Polarisierung und Konflikt, das ist das letzte, was wir im Moment brauchen."
Roger Pint
Jeder Mindestlohn sollt grundsätzlich gleich dem sein, was die für sich in Anspruch nehmen, die ihr Gehalt selbst festlegen dürfen! Artikel 10 unserer Verfassung besagt : 'Es gibt im Staat keine Unterscheidung von Ständen. Die Belgier sind vor dem Gesetz gleich...' - Ungleiche Bezahlung produziert Stände ! Und Artikel 12 : 'Die Freiheit der Person ist gewährleistet....'.
Das impliziert ja wohl auch, dass sich jeder das selbe leisten können müsste was sich die, die ihr Gehalt selbst definieren dürfen, sich leisten können ! Das ist der von der Verfassung vorgegebene Massstab !