Die politisch Verantwortlichen werden nicht müde, es zu wiederholen: Sinn und Zweck der neuen Maßnahmen ist, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Denn genau auf so eine Situation hat sich Belgien nach Meinung der meisten Experten zubewegt. Man kann es vielleicht nicht oft genug betonen: Wenn die Krankenhäuser und vor allem Intensivstationen volllaufen, dann können nicht mehr alle Patienten angemessen versorgt werden.
Jetzt kommt es also wieder auf uns und unser Verhalten an - auch das werden die Politiker und Gesundheitsexperten nicht müde zu wiederholen. Dass das aber mehr als nur Durchhalteparolen sind, hat das Nationale Krisenzentrum versucht, in seiner Pressekonferenz von Freitag deutlich zu machen - anhand verschiedener von Wissenschaftlern entwickelten Vorhersagemodelle. Genauer gesagt geht es dabei um drei Modelle der Universität Hasselt, genannt A,B und C.
Diese Modelle oder Szenarien versuchen zu berechnen, wie sich die Corona-Zahlen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln könnten. Dabei fließt zum Beispiel auch der voraussichtliche Impffortschritt ein. Nun kann man natürlich einwenden, dass es sich eben nur um Modelle handelt, die nicht zwangsläufig der Realität entsprechen. Das räumte auch Yves Van Laethem vom Krisenzentrum ein. Aber oft genug hätten sich diese Modelle eben bewahrheitet.
Auslastung der Intensivstationen
Diese Modelle existieren für alle wichtigen Indikatoren der Epidemie. Weil aber die Auslastung der Intensivstationen besonders kritisch ist, ging es am Freitag vor allem um sie - und darum, wie eine Verschärfung der Corona-Regeln und unser Verhalten deren Evolution beeinflussen könnten.
Im ersten Szenario - in Modell A - wird davon ausgegangen, dass keine neuen Maßnahmen beschlossen worden wären und die Menschen sich verhielten wie bisher - zum Beispiel weiter zum Friseur oder ohne Termin zum Einkaufen in nicht-essenzielle Geschäfte gingen. Dann wäre im April mit über tausend Covid-Patienten auf den Intensivstationen zu rechnen gewesen, wie Steven Van Gucht erklärte. Damit wäre die kritische Schwelle erreicht gewesen. Der Wert hätte nach manchen Simulationen sogar bis zu 1.500 steigen können. Der Druck wäre auch bis Ende Mai ähnlich hoch geblieben.
Szenario B geht hingegen davon aus, dass eben neue Einschränkungen in Kraft sind und sich auch tatsächlich alle oder zumindest möglichst viele Menschen an sie und auch die bekannten und weiter geltenden Basisregeln halten. Das bedeutet etwa, dass die Vorgabe streng respektiert wird, nur einen einzigen engen oder Knuffelkontakt von außerhalb des eigenen Haushalts drinnen zu treffen und auch draußen nicht mehr als vier andere Personen zu treffen und dabei den Sicherheitsabstand einhalten. Unter diesem Szenario ist dann die Chance sehr groß, dass die Belegung der Intensivbetten unter 1.000 bleibt und dass Belgien bis Anfang April sogar unter 800 bleibt. Das wiederum würde bedeuten, dass die Belegung bis Ende Mai wieder auf unter 300 sinken könnte. Ein sehr großer Unterschied zur Kurve in Szenario A also, wie Van Gucht unterstrich.
Dann gibt es aber auch noch Szenario C, das wird auch als Zwischenmodell bezeichnet - weil in diesem Modell berechnet wird, was passiert, wenn sich die Menschen nicht ganz so streng an die Regeln für etwa Knuffelkontakte halten. Hier gehen die Wissenschaftler von einem Wert von durchschnittlich 1,3 Knuffelkontakten pro Person aus. Das bedeutet einfach, dass, während manche Menschen sich strikt an die Regeln halten, andere eben zwei, drei oder mehr enge externe Kontakte haben. Diese um nur 30 Prozent höhere Risikobereitschaft führt aber schon dazu, dass die Chance wieder deutlich größer wird, bei über tausend Covid-Patienten auf den Intensivstationen zu landen und dass die Zahlen zwar auch bis Ende Mai wegen der Impfungen wieder sinken, sich aber auf einem höheren Niveau als bei Szenario B einpendeln, also dem Idealszenario.
Die Vorhersagemodelle zeigten also vor allem, wie selbst kleine Änderungen im Verhalten der Menschen die Lage in den Krankenhäusern beeinflussen könnten. Die mögen zwar für jeden Einzelnen klein und unschuldig wirken, können aber eben in der Summe eine große Wirkung entfalten. Damit könnten unsere Entscheidungen jetzt einen enormen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Pandemie haben, betonte Van Gucht.
Van Gucht: Nächste Woche kann Höhepunkt der Neuinfektionen erreicht werden
Boris Schmidt