Eines vorweg: Der europäische Weg war der richtige Weg, betont Premierminister Alexander De Croo. Trotzdem bleibt die Kritik am europäischen Krisenmanagement nicht aus. Die Dinge seien nicht abgelaufen, wie sie es hätten sollen, so De Croo. Es reiche nicht, wenn man Impfverträge abschließe und dann einfach nur auf die Lieferungen warte. Die EU müsse aktiver und effizienter werden.
Die Forderung ist keine rein belgische. Insgesamt fünf Länder wandten sich in einem offenen Brief an die Europäische Union. Neben Belgien unterstützen Dänemark, Litauen, Polen und Spanien das Vorhaben. Die Länder fordern eine "unternehmerische Einstellung", wenn es darum gehe, ähnlichen Krisen zu begegnen. Wie kann mit privaten Partnern kooperiert werden? Wie können Firmen bei Forschung und Herstellung unterstützt werden?
Diese Fragen möchte De Croo gerne schnellstmöglich beantworten und ist dafür bereit, einen, zumindest auf europäischer Ebene, Sonderweg zu gehen. Nicht mehr jeder Schritt müsse von allen 27 Mitgliedern abgesegnet werden. Der Liberale fordert eine europäische Agentur mit eigener Entscheidungsbefugnis und, das wird dazugehören, eigenem finanziellen Spielraum.
Unterstützung findet De Croo beim German Marshall Fund, einer Stiftung, die sich den transatlantischen Beziehungen widmet. In einem Interview mit der VRT äußerte sich Jacob Kierkegaard vom German Marshall Fund zu der Idee. Gerade der finanzielle Aspekt sei in solch einer Situation wichtig. Wenn eine politische Einheit auf eine solche Krise reagieren will, dann muss sie in der Lage sein, früh durchaus große finanzielle Risiken einzugehen. Die EU sei dazu nicht in der Lage gewesen, Großbritannien oder aber die USA sehr wohl. In den USA seien durch das Programm "warp speed" knapp 20 Milliarden Euro in Forschung und Produktion geflossen. Ein Risiko, ja. Dieses Risiko einzugehen, habe sich aber gelohnt. Verglichen mit den Folgekosten eines Lockdowns lohne sich jeder investierte Euro.
In der Praxis haben sich die Forderungen also schon bewährt. Doch wie geht die Europäische Union mit dem Impuls um? Der offene Brief, den die fünf Länder verfasst hatten, richtete sich auch an Ratspräsident Charles Michel. Am Donnerstag trafen sich die 27 Regierungschefs, um den Umgang mit der Corona-Krise zu besprechen. Charles Michel betonte im Anschluss, dass man natürlich schneller und effizienter reagieren will.
Eine Agentur auf europäischer Ebene erwähnte der ehemalige Premierminister nicht, sondern wich stattdessen auf eine noch höhere Ebene aus. Kooperation sei bei der Bekämpfung von Pandemien der Schlüssel. So will die EU die WHO stärken und ein internationales Abkommen über Pandemien abschließen. Länder innerhalb und außerhalb der EU seien von der Idee angetan. Inwieweit jedoch Alexander De Croos eigentliche Idee einer europäischen Pandemiebehörde umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Andreas Lejeune