Es geht um das sogenannte Gesetz über das Verbot von Privatmilizen. Privatmilizen - allein der Begriff lässt die meisten wohl eher an gesetzlose Gebiete in der Dritten Welt denken, an Warlords oder Drogenbarone. Wenn man sich aber anschaut, von wann dieses belgische Gesetz datiert, dann wird die Sache klarer: nämlich aus dem Jahr 1934. Also einer Zeit zwischen den Weltkriegen, in der quasi in ganz Europa paramilitärische Organisationen und Milizen aktiv waren.
Diesen Kontext erläuterte auch Melissa Depraetere bei Radio Eén. Sie ist Fraktionsvorsitzende der flämischen Sozialisten (SP.A) in der Kammer. Die Situation in den 1930er-Jahren sei nicht mit der heutigen vergleichbar. Damals hätten extremistische Gruppierungen bewaffnete Paraden veranstaltet und effektiv versucht, die Macht von Polizei und Armee zu übernehmen, so Depraetere. Heute liefe das aber natürlich anders ab. Die extremistischen Gruppen bereiteten sich weiter vor, die Macht zu ergreifen. Aber eben nicht mehr auf den Straßen, sondern an Computern und in Sozialen Medien. Das Ganze liefe also mehr im Verborgenen ab. Die Bedrohung bliebe aber die gleiche, warnte Depraetere.
Im Visier von SP.A und PS sind jetzt alle Organisationen, die zu Hass, Gewalt und Diskriminierung aufrufen. Dafür soll eben das Gesetz über Privatmilizen ausgeweitet werden auf sogenannte "undemokratische Gruppierungen". Eine Anpassung, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten und um die Gesetzeslage auf die Höhe der Zeit zu bringen, wie Depraetere in der Zeitung De Morgen zitiert wird.
Anpassung notwendig
Diese Anpassung sei angesichts der aktuellen Entwicklungen notwendig, sind die Sozialisten überzeugt. Gemeint ist damit wohl auch die rechtsextreme Jugendorganisation Schild & Vrienden. Die Staatsanwaltschaft will neun Mitglieder dieser Gruppe wegen verschiedener Vergehen vor Gericht bringen, darunter auch den Vlaams-Belang-Abgeordneten und Gründer und Galionsfigur von Schild & Vrienden, Dries Van Langenhove.
Wobei die Sozialisten betonen, dass sich ihr Gesetzesvorschlag gegen alle Gruppierungen richte, die dazu aufriefen, sich zu bewaffnen. Denn parallele Strukturen, die angeblich für "Sicherheit" sorgen wollten, seien gefährlich und hätten keinen Platz in einem demokratischen Rechtsstaat. Der Vorstoß, das Gesetz auszuweiten bette sich also ein in den Kampf gegen Terrorismus - und zwar Terrorismus in jedweder Form.
Neu ist aber allenfalls der Anlass, warum dieser Gesetzesvorschlag von den Sozialisten eingebracht wird. 2008 und 2012 wollten sie das Privatmilizen-Gesetz schon einmal ausweiten lassen. Der Kontext damals: eine Hitler-Gedenkveranstaltung einer Neonazivereinigung. Dabei sei unter anderem dazu aufgefordert worden, alle Juden abzuschlachten. Im anderen Fall ging es um die islamistische Gruppe "Sharia4Belgium", die wegen Anstachelung zum Hass auf der Anklagebank saß. Verboten worden ist "Sharia4Belgium" damals als Organisation nicht und trat später als Anwerberin für Syrienkämpfer in Erscheinung, bis sie aufgelöst wurde.
Beide Male scheiterten die Versuche, das Gesetz auf radikale Gruppierungen auszuweiten. Der Staatsrat zeigte sich nämlich äußerst kritisch wegen möglicher Folgen eines solches Gesetzes für die Vereinigungsfreiheit. Gegenwind gab es auch von der belgischen Liga für Menschenrechte. Die Liga räumte zwar ein, dass undemokratische Gruppen bekämpft und verfolgt werden müssten. Aber dass sie nicht verboten werden sollten - schon gar auf Grundlage des Gesetzes über Privatmilizen, das das "ineffizienteste Gesetz der Geschichte sei".
Zumindest die Bedenken des Staatsrats hofft Melissa Depraetere aber dieses Mal zerstreuen zu können.
Der Gesetzesvorschlag sei nämlich an die damaligen juristischen Anmerkungen angepasst worden. Die Sozialisten verstünden, dass es schwierig sei, das Gleichgewicht zu wahren zwischen dem Schutz des demokratischen Rechtsstaats und dem Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten. Deswegen finde sie es auch normal, dass der Staatsrat erneut befragt werden müsse, so Depraetere.
Boris Schmidt
Wie wäre es Parteien zu verbieten, welche ständig wegen Veruntreuung von öffentlichen Geldern in den Schlagzeilen sind?
Wie wird "undemokratische Gruppe" definiert ? Und wer entscheidet über ein Verbot ? Ein Minister, ein unabhängiges Gericht ?
Und nützen Verbote überhaupt etwas ? Gehen dann Verdächtige dann nicht eher in den Untergrund ? Ist es nicht leichter Verdächtige in einer legalen Gruppe zu beobachten ? Geht es bei diesem Vorschlag wirklich nur um Demokratieschutz ?
Oder haben die Roten Angst davor, daß ihre Felle langsam aber sicher hinwegschwimmen? Also alles besser im Vorfeld ausschalten, was einen behindert oder einem die unliebsame Wahrheit auf dem Teller serviert?