"Wo bleibt das Pandemiegesetz?" Diese Frage wird inzwischen fast wöchentlich in der Kammer gestellt. In der Fragestunde in der letzten Woche war das sogar in Form einer Interpellation, was also eigentlich eine wirkliche Debatte ermöglicht hätte. Nur hatte Premierminister De Croo hier der Innenministerin den Vortritt gelassen, weil die ja schließlich mit der Abfassung des Entwurfs beschäftigt sei. Die Opposition war allerdings vielmehr der Ansicht, der Premier habe dem Thema ausweichen wollen.
Neues Spiel, neues Glück: In dieser Woche gab es wieder ein halbes Dutzend Fragen zu diesem Thema. Und diesmal war es tatsächlich der Premier persönlich, der sie beantwortete. Vor allem die Oppositionsfraktionen kritisierten einmal mehr die doch "wacklige" rechtliche Grundlage, mit der die Regierung im Moment arbeite. Konkret dienen derzeit zwei Gesetze als Basis: zum einen das "Gesetz über das Polizeiamt" von 1992, und zum anderen das Gesetz über die zivile Sicherheit von 2007.
Gerade dieses Gesetz sei aber eigentlich nicht vorgesehen für eine Krise, wie wir sie jetzt erleben, sagte der N-VA-Fraktionsvorsitzende Peter De Roover. Das Gesetz über die zivile Sicherheit betreffe akute und zeitlich begrenzte Notsituationen wie Brände oder Explosionen. Ergo: Dieses Gesetz könne nicht als Grundlage dienen, um Grundrechte einzuschränken. "Okay, am Anfang der Pandemie, da herrschte eine Notsituation, da musste man schnell reagieren", räumte die CDH-Abgeordnete Catherine Fonck ein. "Aber diese Entschuldigung, die gilt jetzt, knapp ein Jahr später, nicht mehr."
"Nun mal langsam", erwiderte später aber der Premierminister. Hier wird so getan, als hätten wir in den letzten Monaten auf Sand gebaut, als fehlte unseren Entscheidungen jegliche rechtliche Grundlage. "Das stimmt allerdings nicht", sagte Alexander De Croo. Bester Beweis: Der Staatsrat habe die besagte doppelte rechtliche Basis nie angezweifelt und auch vor Gericht habe man spätestens in der Berufungsinstanz Recht bekommen.
Ende Februar, Anfang März
Aber gut, er sei sich dessen bewusst, dass es neben der rechtlichen Ebene auch noch eine politisch-gesellschaftliche gebe. "Wir sind nicht taub", sagte De Croo. Natürlich hören wir die Fragen, die unter anderem ja auch in diesem Parlament gestellt werden, und die ja eine tiefgründige Debatte zu dem Thema anmahnen. Und auf dieses Anliegen wolle diese Regierung absolut eingehen.
Vielleicht war ja auch der Druck zu groß geworden. In den letzten Tagen waren die mahnenden Stimmen immer lauter geworden. Verfassungsexperten, dann sogar die beiden Anwaltskammern des Landes und eben die Opposition: Sie alle hatten eindringlich gefordert, dass die anhaltenden Beschneidungen der Grundrechte dringend eine gesündere Grundlage brauchten, ansonsten gerate die Demokratie ernsthaft in Gefahr. Vor allem sei eindeutig mehr Kontrolle durch das Parlament nötig.
Und die Regierung konnte sich wohl am Ende nicht mehr darauf beschränken zu versichern, dass man ja an einem Pandemiegesetz arbeite. Jetzt also wurde der Premier konkreter: Der Entwurf werde Ende Februar, Anfang März in die Kammer eingebracht. Das werde ganz bewusst ein erster Entwurf sein, der als Arbeitsgrundlage dienen solle, wie De Croo es auch schon am Dienstag in einem Brief an die Kammervorsitzende angekündigt hatte.
"Wir wollen auf jeden Fall eine gründliche Debatte darüber in diesem Parlament", sagte De Croo. Nicht mal eben "drüber gucken" und abnicken, sondern eine Debatte, in der Mehrheit und Opposition sich im Idealfall auch auf eine gemeinsame Linie verständigen können. "Das ist doch ziemlich einmalig", lobte sich der Premier selbst, dass man das Parlament so früh an der Ausarbeitung des Pandemiegesetzes beteilige.
"Was ist denn daran einmalig?", fragte sich unter anderem François De Smet von Défi. Sie verkaufen eine Methode als das achte Weltwunder, die doch eigentlich normal sein sollte. Es wäre eben normal, wenn das Parlament als der Gesetzgeber die Regeln festlege, wann und inwieweit die Grundrechte beschnitten werden dürfen.
Die Kritik der letzten Tage scheint in jedem Fall Wirkung gezeigt zu haben. Das Parlament bekommt ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Der eine oder andere würde hinzufügen: "Endlich!"
Roger Pint
Also ich hätte nun eigentlich auch erwartet das es doch der Normalfall sein sollte das Parlarmente Gesetze nur dann verabschieden wenn sie an deren Entwicklung beteiligt waren - und nicht nur als Abnick-Gremien für die von Lobbyisten verfassten Entwürfe verstanden werden? Letzendlich sitzen doch nur dort die vom Volk als Suverän gewählten Vertreter?!