Die Verhandlungen mit Großbritannien über den Post-Brexit-Vertrag scheinen schier endlos und die Liste der Ergebnisse der monatelangen Verhandlungen ist sehr übersichtlich. Besonders drei Punkte sorgen für Ärger: die Fangquoten für Fischerboote aus der EU in britischen Gewässern, Vorgaben, um einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen zu gewährleisten, und schließlich die Mechanismen zur Schlichtung von Streitfällen und die Verhängung von Strafen.
Aber egal, ob es letztlich zu einer Einigung kommt oder nicht, eines ist sicher: Die Folgen des Austritts Großbritanniens aus dem europäischen Binnenmarkt und aus der Zollunion werden schwerwiegend sein – auf beiden Seiten des Kanals. Das gilt auch für Belgien, wie Sophie Wilmès (MR), ihres Zeichens nicht nur Außenministerin, sondern eben auch zuständig für Europäische Angelegenheiten und den Außenhandel, am Dienstag betonte.
Anlass war ein Treffen mit ihren Amtskollegen, bei dem EU-Chef-Unterhändler Barnier über den Fortschritt der Verhandlungen berichtete. Und eben wegen der in jedem Fall befürchteten sehr schweren Folgen forderte Wilmès von der EU-Kommission, Notfallmaßnahmen zu ergreifen, um ein "gefährliches juristisches Vakuum" für belgische Bürger und Unternehmen ab dem 1. Januar zu verhindern. Außerdem appellierte Wilmès, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um sich zu einigen – allerdings nicht um jeden Preis. Der Zugang Großbritanniens zum Binnenmarkt müsse Regeln unterliegen, ansonsten drohe unfaire Konkurrenz durch ein soziales, steuerliches und umweltschutztechnisches Dumping.
Eine andere Sache ist derweil bereits klar: So oder so werden Unternehmen beim Export von Gütern ins Vereinigte Königreich ab 2021 zusätzliche Zollformalitäten erfüllen müssen. Die Furcht vor der Post-Brexit-Situation hat auch bereits zu einem deutlich stärkeren Lkw-Aufkommen auf den Straßen nach Calais und Zeebrügge geführt.
Das war auch Thema bei einem Treffen von unter anderem Polizei, Zoll, Hafenbehörden und Provinzgouverneuren unter dem Vorsitz von Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V). Bei einer anschließenden Pressekonferenz versuchte Verlinden, zu beruhigen. Man müsse sich auf einen "No deal"-Brexit einstellen mit allen möglichen Sicherheitsproblemen, die das mit sich bringen könne, beispielsweise was Staus an den Grenzübergängen zu Frankreich und an den Häfen angehe.
Staus und mehr Lkw
Aber sobald die operationellen Notfallpläne bis Ende des Jahres fertiggestellt und implementiert seien, werde Belgien gut vorbereitet sein, versicherte sie. Aus Polizei- und Zollsicht sei auch ausreichend Personal eingeplant – mit Verstärkungen im Bedarfsfall. Man habe alles dafür getan, um so gut wie möglich vorbereitet zu sein, sagte Verlinden unter anderem in die Mikrofone der RTBF. Auch wenn man natürlich Staus und mehr Lkw nicht werde verhindern können.
Man habe temporäre Ausweichparkplätze geschaffen, um im Falle von Staus zu verhindern, dass alle Lkw auf den Straßen stünden. Und um eine Störung des normalen Verkehrs zu minimieren, würde auch auf bestimmten Straßen ein Überholverbot für Lkw gelten. Man werde versuchen, den Schwerlastverkehr in Absprache mit Frankreich gleichmäßiger auf verschiedene Grenzübergänge zu verteilen. Dass diese Maßnahmen Früchte trügen, sehe man daran, dass die Verkehrslage trotz des bereits deutlich höheren Lkw-Aufkommens flüssig geblieben sei, so Verlinden.
Schlachtfeld Meer
Ein ganz anderes potentielles Schlachtfeld im Falle eines harten Brexits liegt auf dem Meer - und zwar durchaus im wörtlichen Sinn. Rund die Hälfte des flämischen Fischfangs kommt aus britischen Hoheitsgewässern. Die französischen Fischer haben beispielsweise bereits Blockaden und andere Aktionen angekündigt, falls London sie vertreiben wolle. Im schlimmsten Fall könnte es also zu Fischereikriegen zwischen verschiedenen europäischen Ländern und Großbritannien kommen.
Diese Gefahr hat auch Föderalminister Vincent Van Quickenborne (OpenVLD) vor Augen, zuständig für die Nordsee. Ohne Abkommen könne es turbulent werden, sagte er anlässlich eines Besuchs in Ostende in der VRT. Auch wenn man alles tun werde, um Scharmützel und Blockaden zu verhindern. Sowohl die Marine als auch die Schifffahrtspolizei seien bereit, um bei Schwierigkeiten einzugreifen und gegebenenfalls schwere Strafen zu verhängen, damit die belgische Fischfangflotte verschont bleibe, so Van Quickenborne.
Boris Schmidt