"Intelligente Kilometerabgabe" oder City-Maut? Für welchen dieser Begriffe man sich entscheidet, das ist wohl in erster Linie eine Frage des Blickwinkels. Genauer gesagt des Wohnortes.
Die Brüsseler Regierung will einen Gang höher schalten. Dass die Hauptstädter - im Gegensatz zu den übrigen Landesteilen - an einer "intelligenten Kilometerabgabe" festhielten, war bekannt. Das Projekt steht im Regierungsabkommen. Und doch scheint wohl so mancher auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein, als die zuständigen Brüsseler Minister das Projekt auf einer Pressekonferenz offiziell vorstellten. Das Kind hört auf den Namen "SmartMove". Eine "clevere Fortbewegung" wird also angepeilt. Ziel sei es, damit die Zahl der individuellen Fahrten bis 2030 um ein Viertel zu senken, sagte der Brüsseler Finanz- und Haushaltsminister Sven Gatz. "Um die Lebensqualität in unserer Hauptstadt-Region zu verbessern".
Wie macht man das? Indem man Anreize schafft beziehungsweise bestraft - das auch wieder je nach Blickwinkel. Womit wir bei der "intelligenten Kilometerabgabe" wären. Ganz grob zusammengefasst: Wer viel fährt, und das noch dazu zu Stoßzeiten, der bezahlt eben auch viel. Zwischen zehn und 15 Uhr soll ein günstigerer Kilometer-Tarif gelten. Nachts und am Wochenende bezahlt man nichts. Größere Autos zahlen mehr als kleine, sagte die Brüsseler Mobilitätsministerin Elke Van den Brandt.
Im Gegenzug wird den Brüsseler Autofahrern die Kraftfahrzeugsteuer und auch die Inbetriebnahme-Gebühr erlassen. Die Grundidee ist also: Künftig soll in Brüssel nicht mehr der Besitz eines Personenwagens besteuert werden, sondern der Gebrauch. Das allerdings gilt freilich nur für Brüsseler. Das räumte auch der OpenVLD-Minister Sven Gatz in der VRT ein: "Für die Brüsseler kann das bedeuten, dass sie unterm Strich sogar weniger bezahlen; wenn sie eben wenig fahren. Für die Flamen und Wallonen wird es aber in der Tat teurer".
Vernichtende Kritik
Besagte Streichung der Verkehrssteuern gilt eben nur für die Brüsseler. Die Flamen und Wallonen zahlen drauf. Dafür wird es auch einfacher, sich durch Brüssel zu bewegen; weil eben weniger Autos auf der Straße sind, sagt Gatz. Das allerdings ist für die beiden anderen Regionen ein schwacher Trost. Aus Flandern und der Wallonie gab es vernichtende Kritik an dem Vorstoß. Diese Entscheidung ist zu allererst eine Bestrafung, sagte der wallonische Wirtschaftsminister Willy Borsus in der RTBF. Deswegen gebe es aus Namur ein klares und entschlossenes "Nein!" zu der Maßnahme.
Gleiche Töne aus Flandern. Unannehmbar sei das, wetterte der N-VA-Finanzminister Matthias Diependaele in der VRT. Man stelle das Ganze dar als eine "grüne" Mobilitätsmaßnahme. In Wahrheit sei das aber nichts anderes als eine bloße Steuererhöhung.
Die Brüsseler reagieren darauf. Ja, die Idee nimmt jetzt Gestalt an. Es bleibt aber die Absicht, sich mit den anderen Regionen und dem Föderalstaat abzustimmen, um bestmöglich zusammenzuarbeiten, versichert die grüne Mobilitätsministerin Elke Van den Brandt.
"Kappes", erwidern wiederum sinngemäß die beiden anderen Regionen. "Was ist das denn für eine Vorgehensweise? Erst prescht man mit einer Entscheidung vor, um dann doch darüber diskutieren zu wollen?", echauffiert sich etwa Willy Borsus.
Da, wo Flamen wie Frankophone nicht ganz glaubwürdig sind: Eine "intelligente Kilometerabgabe" lag schon ein bisschen überall mal auf dem Tisch. In Flandern wäre sie beinahe eingeführt worden, bis die N-VA eine 180-Grad-Kurve hinlegte. Und die MR von Willy Borsus hat auch schon sehr offen mit der Idee geliebäugelt. auch und gerade in Brüssel. Um es mit der Zeitung De Standaard zu sagen: Die Brüsseler machen letztlich nur das, was sich die anderen nicht getraut haben.
Doch scheinen die Fronten jetzt erstmal verhärtet zu sein. Noch bevor man überhaupt über den Brüsseler Vorschlag diskutieren kann, scheint das Gesprächsklima doch schon ziemlich vergiftet zu sein.
Roger Pint
Wir werden mit Corona vollgelabert, und hinten herum kommen die neuen Steuern. Wer jetzt noch immer nichts merkt, den kann man nicht mehr helfen. Wartet nur ab. Da kommt noch jede Menge.