Es qualmt in der Vivaldi-Koalition. Und zwar dem Vernehmen nach heftig. Auslöser ist ein Interview Frank Vandenbrouckes. Darin hatte der föderale SP.A-Gesundheitsminister erklärt, dass Einkaufen an sich und unter kontrollierten Bedingungen kein sehr großes Corona-Risiko darstelle. Und dass der Beschluss, die nicht-essentiellen Läden zuzumachen, der Bevölkerung psychologisch den Ernst der Gesundheitskrise klarmachen sollte. Neben erbosten Reaktionen der Händler dauerte es auch nicht lange, bis Vandenbroucke dafür aus der Politik aufs Korn genommen wurde.
Dass Kritik aus den Reihen der Opposition kam, überraschte wenig. Im Gegensatz zu den sehr heftigen Angriffen aus dem MR-Lager. Die frankophonen Liberalen sitzen mit in der Regierung. Sophie Wilmès etwa hat sich laut La Dernière Heure bei Premier De Croo und den anderen Vize-Premierministern über die Zweifel und das Unverständnis beschwert, die Vandenbroucke ausgelöst habe. Auch die Grünen und die CD&V hätten sich demnach sehr irritiert gezeigt.
Denis Ducarme, MR-Kammerabgeordneter und Ex-Minister für den Mittelstand und Selbstständige, warf Vandenbroucke vor, die psychosozialen und wirtschaftlichen Aspekte der Gesundheitskrise zu ignorieren. Sein Mangel an Respekt und Empathie gegenüber den Händlern sei inakzeptabel. Dafür müsse sich Vandenbroucke vor der Kammer und vor den Selbstständigen verantworten, forderte Ducarme. Der MR-Ministerpräsident der Französischen Gemeinschaft, Pierre-Yves Jeholet, setzte in einem Interview mit Le Soir noch eins drauf. Er stehe zwar kollegial zu den im Konzertierungsausschuss getroffenen Entscheidungen, aber die Art und Weise, wie darüber teilweise kommuniziert würde, löse bei ihm Unbehagen aus. Und er habe zum ersten Mal bei Vandenbrouckes Interview gehört, dass Einkaufen kein großes Corona-Risiko darstelle. Wenn das stimme, hätte man die Geschäfte nicht schließen dürfen. Und er tue sich manchmal schwer mit der gewissen Form von "Totalitarismus" bei den Entscheidungen, beklagte Jeholet. Auch der MR-Parteivorsitzende Georges-Louis Bouchez äußerte sich entsprechend. Das sei keine sehr korrekte Vorgehensweise gewesen.
Säuerliche Reaktionen
Die Attacken der frankophonen Liberalen haben jedenfalls bei den flämischen Sozialisten für säuerliche Reaktionen gesorgt. Der SP.A-Vorsitzende Conner Rousseau erklärte am Montagabend in Terzake, dass er vollstes Vertrauen in seinen Parteikollegen Vandenbroucke habe. Und die Schließung der nicht-essentiellen Geschäfte, um soziale Kontakte und damit das Ansteckungsrisiko so weit wie möglich zu reduzieren, sei angesichts der damaligen gesundheitlichen Notsituation gerechtfertigt gewesen. Und es sei nicht neu, dass Gegner versuchten, andere ins Wanken zu bringen.
Rousseau ließ es sich auch nicht nehmen, gegen den Koalitionspartner MR auszuholen. Man habe ja gesehen, wie die MR in der vorherigen Regierung agiert habe. Zu schnelle Lockerungen hätten überhaupt erst dazu geführt, dass man wieder in der Patsche gesessen habe. Das sei auch nicht besonders schlau gewesen, stichelte Rousseau.
PS-Schwergewicht und ehemaliger Vivaldi-Co-Regierungsbildner Paul Magnette bemühte sich indes, das Boot nicht noch weiter zu sehr ins Schaukeln zu bringen. Jeder habe eben seine Art und seinen Stil. Und Vandenbroucke sei eben so, wie er immer gewesen sei, wiegelte Magnette am Dienstagmorgen in der RTBF ab. Wobei auch er nicht glücklich über die Äußerungen ist. Er finde sie bedauerlich, inhaltlich nicht korrekt und in der Form unangemessen. Die Worte Vandenbrouckes hätten für Verwirrung gesorgt und das brauche man nun gar nicht.
Es sei der Eindruck entstanden, dass bestimmte Menschen umsonst riesige Opfer hätten bringen müssen. Und das stimme nicht. Alle gemachten Anstrengungen seien nützlich gewesen und hätten dazu beigetragen, die Situation unter Kontrolle zu bringen, betonte Magnette. Die damals getroffene Entscheidung sei nach langen Diskussionen auch mit Experten gefallen und angesichts der schlechten Zahlen gerechtfertigt gewesen, so Magnette. Und dass die Maßnahmen effizient gewesen seien, das könne man ja anhand der verbesserten Lage jetzt sehen. Aber dennoch müsse man jetzt aus dieser Polemik wieder heraus und sich auf die Bewältigung der Krise konzentrieren.
Kabinett Vandenbroucke: Schließung nicht-essentieller Geschäfte von Experten empfohlen worden
Boris Schmidt
Es ist peinlich, aber bezeichnend, wenn ein Politiker glaubt, "pädagogische" Maßnahmen ergreifen zu müssen. Erinnert an "die Zügel anziehen" oder "die Menschen zu ihrem Glück zwingen" und ähnlichem Größenwahn. Verständlich, das bestimmte Menschen in Krisen nach starken Führern und einer festen Hand suchen aber irgendwie klingt auch durch, was Herr Psychologe Vandenbroucke von seinem Volk hält: lauter kleine unmündige Kinder!
Peter Schallenberg: Minister VandenBroucke hat doch nicht UNRECHT !
Ganz sicher kann ich Ihnen aber versichern, dass Frank Vandenbroucke sehr viel von den Menschen in Belgien und Belgien in seiner Einheit hält ! Zum anderen sind die von der Regierung(en) beschlossenen Maßnahmen / Verhaltensvorschriften doch sehr wirksam, wie man aus der Presse entnehmen kann. Ganz sicher sieht Frank Vandenbroucke in keinem Bürger , kleine unmündige Kinder die geführt und fortwährend beaufsichtigt werden müssen.
Belgien braucht keinen starken "Führer mit fester Hand", sondern das was es bekommen hat eine kompetente Regierung mit Sachverstand !
Sie sollen einfach Neuwahlen machen lassen! Alles andere nimmt doch kein Mensch mehr ernst. Nur 3 Monate diese Spass-Regierung nach anderthalb Jahren ohne legale Regierung.
Komme mir niemand mit "Aber der VB und die PTB ..."! Wer immer noch gegen Neuwahlen ist hat wohl mit parlamentarischer Demokratie ein echtes Problem.
Vandenbroucke wollte also mit der Schließung der nicht-essentiellen Läden einen - Zitat - « Schockeffekt » auslösen. Ob der Minister selber mal einkaufen geht, entzieht sich meiner Kenntnis, aber wenn ich Ladeninhaber wäre, würde ich den Mann mit Hausverbot belegen. Wäre wohl auch ein Schockeffekt, so wie vor einigen Jahren, als der damalige Brüsseler Bürgermeister in Restaurants nicht bedient wurde, die durch seine unsägliche Verkehrspolitik massive Umsatzrückgänge zu verzeichnen hatten.