Auch die Debatte findet wie schon am Donnerstag die Regierungserklärung im Europäischen Parlament statt, um den 150 Kammerabgeordneten unter Wahrung des Coronavirus-Sicherheitsabstandes Platz zu bieten. Und vielleicht sind es auch diese doch ungewohnt weitläufigen Räumlichkeiten, die mit dazu beigetragen haben, dass die Reden, Fragen, Antworten und Reaktionen zunächst eher langsam in Fahrt kamen.
Es hat aber nicht lange gedauert, bis gerade die Oppositionsparteien entsprechend Dampf aufgebaut hatten und verbal-offensiv zur Hochform aufliefen. Die Rollenverteilung ist natürlich klar: Die Fraktionsvorsitzenden der sieben Vivaldi-Mehrheitsparteien versuchen, ihre Koalition und ihr Programm zu verteidigen. Und die Opposition ihrerseits versucht, kein gutes Haar daran zu lassen und jede Undeutlichkeit, Ungereimtheit und jeden Widerspruch ins Rampenlicht zu zerren.
Die Bühne gehörte also eigentlich den flämischen Nationalisten N-VA, dem rechtsextremen Vlaams Belang, der linksextremen PTB, sowie - in nicht ganz so virulenter Form - den frankophonen Christdemokraten CDH und auch DéFI.
Geruchsbelästigung
Den Beginn machte die N-VA, vertreten durch ihren Fraktionsführer Peter De Roover. Und bei den flämischen Nationalisten scheint auch am Freitag wieder die Losung ausgegeben worden zu sein, sich als respektable und gesittete Alternative zum rechten Konkurrenten Vlaams Belang zu präsentieren. Was aber nicht bedeutet, dass die Angriffe De Roovers deswegen weniger scharf gewesen wären.
Wirklich Neues hatte er dabei allerdings kaum zu bieten. Neben genereller Kritik an der Schwammigkeit der Regierungserklärung, der Mindestrente und der Frage, woher denn das Geld kommen soll, ging es vor allem um den Vorwurf, dass die Regierung in Flandern keine Mehrheit habe. Und er bemühte dazu unter anderem einen Vergleich zur Situation in den damaligen britischen Kolonien in Amerika vor dem Unabhängigkeitskrieg. Die hatten damals den Slogan, dass sie zwar immer zahlen mussten, aber nicht politisch vertreten waren.
Und De Roover betonte natürlich, dass das belgische Modell ausgelebt sei. Das solle De Croo doch einsehen und nicht versuchen, "eine Leiche wieder aufzuwärmen". Das würde nur zu einer Geruchsbelästigung führen. Und das könne diese grünste Regierung der Geschichte wohl nicht wollen, stichelte De Roover. Die N-VA werde die Regierung überall und bei allen Themen bekämpfen - und zwar mit der angemessenen Leidenschaft, versprach De Roover.
Spucke und Spinnweben
Als nächste Oppositionspartei folgte dann am Nachmittag der Vlaams Belang. Und deren Fraktionsführerin Barbara Pas hatte offenbar nicht vor, Gefangene zu machen. Neben ihrem Hauptziel Vivaldi lieferte sie sich nämlich auch Gefechte mit der N-VA. Der neuen Regierung warf sie erst einmal an den Kopf, dass sie nur hoffe, dass diese Vier Jahreszeiten-Konstellation nicht zu einem drei Jahre dauernden Winter führen werde. Das ganze sogenannte positive Programm sei schlicht ein links-frankophones Besteuerungsprojekt, so Pas.
Viele flämische Wähler fühlten sich jetzt wie Kristof Calvo, nämlich verraten und kaltgestellt, nutzte die Vlaams Belangerin die Gelegenheit auch für einen Seitenhieb auf den bei den Ministerposten leer ausgegangenen Groen-Fraktionsvorsitzenden. Die Regierung habe in Flandern keinerlei demokratische Legitimität, egal wie sie auch drehe. Die beteiligten Parteien hätten ihre Wahlversprechen gebrochen.
Das einzig Positive sei, dass De Croo die Latte so niedrig angesetzt habe und die Erwartungen der Bevölkerung so gering seien, dass man nur positiv überrascht werden könne. Die ganze Konstruktion werde nur durch Spucke, Spinnweben und einer lähmenden Angst vor dem Wähler zusammengehalten. In dem Regierungsabkommen stünde zwar für jede der sieben Parteien etwas drin. Nach etwas für den Wähler oder die Zukunft müsse man aber lange suchen. Das Programm sei nämlich so wie die Coronawarnstufe - nämlich rot.
Die anderen Parteien werden im Laufe des Abends zu Wort kommen. Hierbei wird erwartet, dass sie sich neben einzelnen Punkten des Regierungsabkommens besonders auf die Finanzierung und die damit zusammenhängenden Fragen konzentrieren werden. Am Samstag soll dann die Vertrauensabstimmung stattfinden.
Boris Schmidt