Gleich im ersten Satz erinnerte der neue Premierminister noch einmal an den Kontext: "Wir erleben die schlimmste Krise seit Jahrzehnten. Nicht nur eine sanitäre Krise, sondern auch eine soziale und wirtschaftliche. Mit beispiellosen Auswirkungen."
Diese Regierung werde alles tun, um Infektionsherde schnell und lokal unter Kontrolle zu bringen, sagt De Croo. "Denn, damit das klar ist: Unser Land, unsere Wirtschaft, unsere Betriebe, wir alle können keinen zweiten Lockdown verkraften."
An ihrer Corona-Politik wird sich diese neue Regierung messen lassen müssen, das ist allen Beteiligten klar. Man hat jedenfalls erste Lehren daraus gezogen: "Wir werden massiv in das Gesundheitssystem investieren", sagte De Croo. Mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen versprach der Premier, ohne dabei in die finanziellen Details zu gehen.
Ähnlich verfuhr er mit dem zweiten Steckenpferd seiner Regierung: "Wir werden die Mindestrenten anheben, Zielwert: 1.500 Euro." Das ist freilich auch sehr vage. Kein Wort über die Frage etwa, ob das brutto oder netto sein wird. Auch die geplante Steuerreform oder die versprochenen Investitionen in die Polizei oder die Justiz sprach er nur oberflächlich an. Er gab auch das Ziel aus, die Beschäftigungsrate auf 80 Prozent anzuheben. Aber auch hier: kaum Einzelheiten.
Allerdings, so zeigt sich, ist das gewollt. Nicht nur, dass oft wohl tatsächlich der Unterbau noch fehlt. De Croo scheint hier einen neuen Stil etablieren zu wollen. Seine Vorgänger verloren sich oft in Details, Regierungserklärungen dauerten gefühlt eine halbe Ewigkeit. De Croo will offensichtlich direkter und kompakter kommunizieren.
"Grünstes" Regierungsabkommen
Doch noch ein paar Worte zur Wirtschafts- und Haushaltspolitik. De Croo verspricht ein Investitionspaket mit einem Volumen von knapp fünf Milliarden Euro. Schwerpunkt sollen hier nachhaltige und zukunftsträchtige Bereiche sein. Das macht aus diesem Regierungsabkommen das "grünste" in der Geschichte dieses Landes:
Und noch ein Punkt, der vor allem den grünen Partnern gefallen dürfte: Man will am Atomausstieg 2025 festhalten. Allerdings unter der Bedingung, dass Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit gewährleistet sind. Auch hier: keine Details. Laut Regierungsabkommen behält man sich die Möglichkeit vor, zwei Gigawatt Nuklearstrom am Netz zu lassen. Das wären die beiden jüngsten Reaktorblöcke, also Doel 4 und Tihange 3.
In jedem Fall werde die wirtschaftliche Wiederbelebung im Vordergrund stehen, sagte De Croo. Und hier wolle man eine "vernünftige" und dynamische Politik führen - in dem Sinne, dass etwa die Haushaltssanierung abhängig gemacht werde von der Entwicklung, kein blindwütiges Sparen also. "Wir werden alles tun, was nötig ist, um diese Krise zu meistern - Whatever it takes."
Der flämische Liberale De Croo versucht offensichtlich, in diesen unruhigen Zeiten Optimismus zu verbreiten. Und er schlägt auffallend oft progressistische Töne an. Beispiel: "Diese Regierung wird jede Form von Diskriminierung bekämpfen. Der beste Beweis: In dieser Equipe herrscht absolute Geschlechtergleichheit."
Keine Abrissbirne
Besonders scheint ihm aber politische Kultur am Herzen zu liegen, genau gesagt: der allgemeine Umgang miteinander. "Wir wollen für eine konstruktive Politik stehen, für Vertrauen und Respekt. Die Abrissbirne zu schwingen, das ist einfach, bringt uns aber keinen Schritt weiter."
De Croo brach auch eine Lanze für die internationale Zusammenarbeit und den Multilateralismus - und er zeigte sich resolut pro-europäisch. Von einer starken EU könne Belgien nur profitieren. Ab jetzt sollen also Teamwork, Respekt und die gemeinsame Suche nach einem Konsens im Mittelpunkt stehen. Und in diesem Sinne bitte er um das Vertrauen des Parlaments.
Gleich im Anschluss an die Regierungserklärung wartete auf den neuen Premier bereits sein erster EU-Gipfel. Am Freitag wird die Kammer den ganzen Tag lang über die Regierungserklärung debattieren. Dann wird auch die Opposition die Gelegenheit bekommen, sich darüber auszusprechen. Am Samstagnachmittag soll die Vertrauensabstimmung stattfinden.
Vivaldi-Regierung vereidigt - De Croo und Co können loslegen
Roger Pint