Bis in die frühen Morgenstunden dauerte es, bis die Entscheidung fiel. Aber um halb drei war es dann endlich soweit, die meisten Abgeordneten stimmten für die Einrichtung eines Sonderausschusses.
Lediglich die Extremen an beiden Enden des Spektrums stimmten dagegen: Sowohl die PTB als auch der Vlaams Belang bestanden auf einem echten parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Sie kritisierten sinngemäß, dass für die anderen Parteien offenbar nicht einmal 10.000 Tote einen Untersuchungsausschuss rechtfertigten.
Andere Parteien hätten zwar auch einen Untersuchungsausschuss bevorzugt, nahmen aber letztlich den Standpunkt ein, dass ein Sonderausschuss besser als gar nichts sei. Die CDH enthielt sich, die Fraktionsvorsitzende Catherine Fonck fand es unbegreiflich, dass es im Vorfeld noch eine Mehrheit für eine echte Untersuchungskommission gegeben habe, danach aber alle ihre Anträge auf eine solche niedergestimmt worden waren.
In einer so schwerwiegenden Krise, wie man sie jetzt durchlebe, sei eine größtmögliche Klarheit erforderlich, wiederholte Fonck auch am Freitagmorgen in der RTBF. Mit absoluter Transparenz. Und dafür müsse man sich alle verfügbaren Mittel geben.
Aufgaben
Der jetzt beschlossene parlamentarische Sonderausschuss soll nach der Sommerpause und einem vorbereitenden Experten-Bericht seine Arbeit aufnehmen. Und hierbei ist die Aufgabenbeschreibung recht weit gefasst: Sowohl die Vorbereitung, als auch die Handhabung der schweren Gesundheitskrise sollen evaluiert werden. Auch die Frage, über welche Informationen Belgien eigentlich wann verfügte, soll geklärt werden. In China war das Coronavirus ja spätestens schon im Dezember ausgebrochen, lange vor den ersten Fällen hierzulande.
Nicht zu vergessen die Panik und das Chaos um mangelnde Schutzausrüstung und gerade das Fiasko um die Vernichtung und Nicht-Ersetzung des staatlichen Maskenvorrats. Deswegen wird auch die Verwaltung der strategischen Reserven an medizinischem Material und Medikamenten untersucht werden.
Weitere Punkte werden die Koordinierung und Ausführung der ergriffenen Maßnahmen sein, die Frage, wie die Krankenhäuser während der Epidemie unterstützt und begleitet wurden, wie der Lockdown beschlossen wurde und welche Rolle das Krisenzentrum spielte. Und weitere nicht-medizinische Aspekte.
Ein weiteres explizites Ziel wird auch die Erarbeitung von Empfehlungen für die Zukunft sein und wie man eine Wiederholung möglicher Fehler vermeiden könne, erklärte der Kammervorsitzende Patrick Dewael von der OpenVLD in Terzake. Und hierzu soll sich der Sonderausschuss der Kammer auch regelmäßig mit seinen Teilstaaten-Pendants austauschen.
Sonderausschuss oder Untersuchungsausschuss
Über die Frage, dass das Krisenmanagement untersucht werden muss, waren sich eigentlich alle einig. Aber über die Form herrschte zum Teil sehr deutliche Uneinigkeit. Hier ging es darum, ob ein parlamentarischer Sonderausschuss reiche oder es ein echter Untersuchungsausschuss sein müsse.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sei das allerletzte Mittel, er habe quasi die gleichen Befugnisse wie ein Untersuchungsrichter, erklärte Dewael in der VRT. Er würde dann eingesetzt, wenn die Wahrheit nicht anders zutage gefördert werden könne, zum Beispiel weil Zeugen sich weigerten zu erscheinen. Dann könne ein Untersuchungsausschuss eben mehr ausrichten.
Aber man habe in der Vergangenheit oft mit Sonderausschüssen gearbeitet, so Dewael. Solange alle Beteiligten mitarbeiteten, müsse man einen Untersuchungsausschuss zwar nicht ausschließen, aber es sei nicht die erste Wahl. Für die Form eines Sonderausschusses hätte sich auch das flämische Parlament entschieden, und auch in Brüssel tendiere man dazu.
Und es ist eben auch ganz explizit die Möglichkeit vorgesehen, den Sonderausschuss bei Bedarf jederzeit in einen Untersuchungsausschuss umzuwandeln. Dann, wenn es dem Sonderausschuss mit seinen Befugnissen nicht gelinge, die Wahrheit ans Licht zu bringen, betonte Dewael.
Boris Schmidt