Vor fast zehn Jahren, im März 2011, kam es im japanischen Fukushima zu einer verheerenden Atomkatastrophe. In der Folge wurden in Europa alle Atomkraftwerke sogenannten Stresstests unterzogen. Eine Frage war dabei, ob die Meiler auch einem Flugzeugabsturz standhalten würden.
Für die ältesten belgischen Reaktorblöcke gilt das nur in äußerst bedingtem Maße. Und deswegen fordern die Grünen von Ecolo jetzt "mindestens" ein Überflugverbot für das Atomkraftwerk Tihange, das ja nicht weit vom Lütticher Flughafen entfernt ist. Ecolo beruft sich da auch auf eine veränderte Gesetzeslage.
Wenn man die Katastrophe von Fukushima von 2011 und die Anschläge vom 11. September 2001 in einem Topf zusammenrührt, kommt eine sehr beängstigende Vorstellung dabei heraus: Was wäre, wenn ein Flugzeug auf ein Atomkraftwerk stürzt?
Man will es sich nicht vorstellen, aber man sollte vielleicht die Möglichkeit in Betracht ziehen. Die Stresstests, die in der Folge der Fukushima-Katastrophe durchgeführt worden waren, beinhalteten auch ein solches Szenario.
Für die belgischen Reaktorblöcke war das Resultat durchwachsen: Bei einer Anhörung im Parlament bestätigte der Leiter der Föderalen Agentur für Nuklearkontrolle, FANK, dass die drei ältesten Meiler allenfalls dem Einschlag eines Sportflugzeugs standhalten würden. Konkret gilt das also für Tihange 1, sowie für Doel 1 und 2.
Frachtflugzeuge am Lütticher Flughafen
Tihange 1 würde den Absturz einer Cesna aushalten. Tihange 2 und 3 können immerhin den Absturz einer Linienmaschine verkraften, also zum Beispiel einer Boeing 767.
Allerdings, so sagte der Ecolo-Parlamentarier Samuel Cogolati in der RTBF: "Am nahegelegenen Lütticher Flughafen, da starten und landen vor allem Frachtflugzeuge vom Typ Boeing 747. Dieses Modell ist aber doppelt so groß wie eine Linienmaschine."
Das Atomkraftwerk Tihange wird also vornehmlich von Flugzeugen überflogen, für die keiner der Meiler gewappnet ist. Selbst wenn Tihange 2 und 3 auch dem Einschlag einer 767 standhalten würde, so ist eine 747 dann nochmal von einem ganz anderen Kaliber.
Aber nach einem neuen Königlichen Erlass sei es so, dass ein Atomkraftwerk dem Absturz eines Flugzeugs standhalten muss, sagt Samuel Cogolati: Nach dem Gesetz darf Tihange nur überflogen werden von Flugzeugen, deren Einschlag verkraftbar ist. Und das gilt eben nicht für die Maschinen, die dort unterwegs sind.
Ergo: alle drei Reaktorblöcke entsprechen nicht den Normen. Deswegen sollte die Regierung jetzt also das Gesetz durchsetzen.
Die zuständigen Minister verweisen da in der Regel gleich auf die Föderale Agentur für Nuklearkontrolle, FANK. Dort ist man offensichtlich über die Problematik im Bilde. Mehr noch: Man habe den Betreiber gebeten, die Widerstandsfähigkeit der Reaktorblöcke im Falle eines Flugzeugabsturzes zu analysieren, sagte Lut Vande Velde, Sprecherin der FANK, in der RTBF.
Überflugverbot
Die entsprechenden Gutachten seien eingegangen und würden jetzt geprüft Man habe den Betreiber ausdrücklich dazu angehalten, auch Frachtflugzeuge in seinen Berechnungen zu berücksichtigen.
Davon abgesehen seien Arbeiten an den Anlagen vorgenommen worden. Unter anderem sei der Beton verstärkt worden, um zusätzliche Sicherheit zu schaffen.
Dem Ecolo-Parlamentarier Samuel Cogolati reicht das nicht. Bis auf weiteres sollte ein Überflugverbot für das Kernkraftwerk Tihange verhängt werden, fordern die Grünen. Und das auf jeden Fall bis die Berichte ausgewertet und die nötig gewordenen Arbeiten wirklich durchgeführt worden seien.
Ein Überflugverbot, das wäre das Mindeste. Wenn Ihr Auto bei der technischen Kontrolle durchfällt, dann müssen Sie den Wagen auch erst reparieren, ehe Sie wieder fahren dürfen, sagt Cogolati. Nun, bei Kernreaktoren, die den Sicherheitsnormen nicht mehr entsprechen, müsste das eigentlich genauso gehandhabt werden.
Roger Pint