Vergleichsweise ruhig ging es zu in der Kammer, dafür waren die Fragen in der Plenarsitzung aber umso giftiger. Erst wollten einige Abgeordnete die Antirassismus-Demo vom vergangenen Sonntag in Brüssel aufarbeiten.
Da stand quasi das versammelte rechte Spektrum am Rednerpult. Der Vorwurf war immer der gleiche: Wie kann es sein, dass trotz Corona, trotz geltenden Verbots von Massenveranstaltungen, dass trotz aller Warnungen 10.000 Demonstranten dicht gedrängt mitten im Zentrum von Brüssel protestieren konnten? Hier gehe es um die Volksgesundheit, aber zugleich um die Glaubwürdigkeit der Behörden, kritisierten Vertreter der Liberalen, der Christdemokraten, sowie von N-VA und Vlaams Belang. Klar: Das eigentliche Ziel dieser Attacken war der Brüsseler PS-Bürgermeister Philippe Close.
Auch die Premierministerin verwies darauf, dass sie, von ihrer Position aus, nun wirklich oft genug vor genau solchen Bildern gewarnt hatte - unter anderem exakt vor einer Woche im Parlament, sagte Sophie Wilmès. Wobei: Sie habe vollstes Verständnis für die Beweggründe der Demonstranten. Was aber niemandem einen Freibrief gibt. Bei der Demo seien die geltenden Regeln missachtet worden. Dafür verantwortlich sei der Bürgermeister, der doch eigentlich erklärt hatte, sich mit den Veranstaltern auf eine Alternativlösung geeinigt zu haben. Aber: Für eine Disziplinarprozedur gegen den Brüsseler Bürgermeister sei einzig die Region zuständig. Spätestens da war klar, wen Wilmès für die Brüsseler Szenen vom vergangenen Sonntag verantwortlich macht.
Für einige Parlamentarier ist das zu einfach. Niemand habe eingegriffen, sagte etwa die CDH-Fraktionschefin Catherine Fonck: Die Stadt nicht, die Region nicht, und auch nicht der Föderalstaat. Tim Vandeput (Open VLD) und Peter De Roover (N-VA) forderten ihrerseits, dass Bürgermeister Philippe Close und auch der Brüsseler PS-Ministerpräsident ihre Konsequenzen ziehen mögen.
"Masken-Saga"
Die zweite Fragenserie an Sophie Wilmès kam dann von der geschlossenen linken Seite des Halbrunds. Es ging um die "Masken-Saga", wie viele Abgeordnete es formulierten. Da kam alles aufs Tapet: Die anfängliche Knappheit, die endlosen Verspätungen bei den Lieferungen, die diffusen Empfehlungen. "Aber das jüngste Kapitel, das war die Kirsche auf der Torte", sagte der PS-Abgeordnete Hugues Bayet. Gemeint sind die 15 Millionen Stoffmasken. "Die sind nicht nur viel zu spät angekommen, sondern entsprechen obendrauf auch noch nicht den Normen", wetterten einige Parlamentarier. Ein schlechter Witz, so das scharfe Urteil der PTB-Abgeordneten Sophie Merckx. Einige fragten sich auch einmal mehr, warum man sich ausgerechnet für das Luxemburger Unternehmen entschieden habe, das augenscheinlich eine Briefkastenfirma sei.
Sophie Wilmès beschränkte sich darauf, die bisher bekannte Version der Dinge zu wiederholen. Grob gerafft: Alle Länder hatten mit den Lieferengpässen zu kämpfen. Die beanstandeten 15 Millionen Stoffmasken seien von externen Experten für konform erklärt worden. Im Nachhinein sei es immer leicht, zu kritisieren. Einige wollten sich aber nicht mit diesen Antworten zufrieden geben. Sie sei und bleibe perplex angesichts all der Irrungen und Wirrungen in dieser Akte, sagte die Ecolo-Parlamentarierin Julie Chanson. "Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass der Staat durch diese Masken-Saga noch weiter an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat", sagte François De Smet (DéFi).
Rechnungshof soll ermitteln
15 Millionen dieser Masken würden zudem den Sicherheitsstandards nicht entsprechen. Die Masken können nur bei 30 Grad gewaschen werden; empfohlen wird eine Reinigung bei 60 Grad.
Der N-VA-Abgeordnete Michael Freilich brachte dennoch einen Antrag ein, in dem eine Untersuchung durch den Rechnungshof gefordert wurde. Die Kammer folgte dem Gesuch einmütig.
Auch die liberalen Fraktionen legten keinen Widerspruch ein. Dies, obwohl der MR-Verteidigungsminister Philippe Goffin für die Akte zuständig ist.
Roger Pint