In einem Punkt waren sich alle einig: Dem Krankenhauspersonal, den Ärztinnen und Ärzten, den Krankenschwestern und Pflegern, ihnen allen gebühre Dank und Anerkennung. "Doch was bekommen diese Menschen stattdessen?", setzten einige Oppositionspolitiker ihren Gedanken fort. "Das Krankenhauspersonal kann noch so oft bessere Arbeitsbedingungen fordern, man hört ihnen nicht zu."
Deswegen sei die Aktion vom vergangenen Wochenende nicht als respektlos zu verstehen, sagte die PS-Parlamentarierin Eliane Tilleux. Die Menschen wollten sich einfach nur Gehör verschaffen. Mit diesem Un-Ehrenspalier gemeint sind die Bilder vom Besuch der Premierministerin im Brüsseler Saint-Pierre-Krankenhaus. Bei ihrer Ankunft hatte das Personal der Premierministerin demonstrativ den Rücken zugewandt.
"Die Menschen sind sauer, das haben sie Ihnen auch gezeigt", wandte sich die Ecolo-Parlamentarierin Laurence Hennuy an die Premierministerin. Zu allem Überfluss habe die Regierung zwei ministerielle Erlasse veröffentlicht, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben, sagte die CDH-Fraktionsvorsitzende Catherine Fonck.
Am Mittwochvormittag hatte die Premierministerin indes schon angekündigt, dass besagte Erlasse auf Eis gelegt würden. "Nur, was heißt das?", fragte sich die PTB-Abgeordnete Sofie Merckx: "Würden Sie uns bitte bestätigen, dass die Texte tatsächlich im Papierkorb landen?"
Wilmès ungewöhnlich demütig
Premierministerin Sophie Wilmès zeigte sich einmal mehr ungewöhnlich demütig. "Ja, die Bilder waren stark!", räumte die MR-Politikerin ein, und ja, die Botschaft, die dadurch vermittelt werden sollte, war genauso stark. Diese Botschaft sei angekommen, beteuerte die Premierministerin: "Wir sind uns dessen bewusst, dass die Corona-Krise die Probleme, die schon bestanden, nur noch verstärkt haben." Sie wolle, dass da jetzt schnell Lösungen gefunden werden
Indirekt ging sie auf das Verhalten ihrer Minister- und Parteikollegin Marie-Christine Marghem ein. Die hatte den "Rücken-Protest" sinngemäß bezeichnet als das Verhalten von verwöhnten Kindern, die ihren Willen nicht kriegen. Eben dieser Satz hatte auch schon die linke Opposition zu lauten Schimpftiraden veranlasst. Wilmès nahm, wenn auch indirekt, Bezug auf diesen Vorfall: Sie betone, dass alle öffentlichen Aussagen, besonders wenn sie von Ministern kommen, von Respekt und Empathie geprägt sein sollten. Das war vergleichsweise klar, wenn sich die Opposition auch eine klarere Rüge gewünscht hätte.
Zum eigentlichen Gegenstand des Protestes - vor allem den besagten beiden Erlassen: Beim Personal war der Inhalt so verstanden worden, dass sich die Regierung das Recht herausnehmen wollte, die Pflegekräfte zwangsverpflichten zu können. Und dass auch ungelerntes Personal eingesetzt werden kann.
Verzerrte Wahrnehmung
Beides sei eine verzerrte Wahrnehmung, stellten Wilmès und auch Gesundheitsminister Maggie De Block klar. Grob zusammengefasst sagt die Regierung, dass beide Maßnahmen einzig darauf abgezielt hätten, dass Krankenhauspersonal zu entlasten. Und diese Missverständnisse seien inzwischen auch mit den Gewerkschaften geklärt worden, sagte De Block. Gemeinsam habe man festgehalten, dass der Inhalt in Ordnung geht, dass vielleicht nur das Timing schlecht gewählt war.
Aber, kleine Klammer: "Viele von denen, die hier lauthals Kritik üben, die vergessen, dass ihre eigenen Parteipräsidenten eben diesen Erlassen zugestimmt haben, sagten Wilmès und De Block im Chor. Tatsächlich wurden beide Erlasse vom sogenannten Super-Kernkabinett verabschiedet, in dem auch die Vorsitzenden der zehn Parteien sitzen, die der Regierung die Sondervollmachten übertragen haben. Entsprechend müsse man jetzt eben diese samstagliche Runde abwarten, um die Texte annullieren zu können. In der Zwischenzeit seien die Erlasse aber ausgesetzt. "Vielleicht ein Beweis mehr, dass wir es ernst meinen", sagte Wilmès. Die Antwort der Opposition: "Wir hoffen, dass den Worten jetzt auch Taten folgen."
Roger Pint
Es war gewiss kein Missverständnis und keine verzerrte Wahrheit, es war/ist ein weiterer bewuster liberaler Angriff auf unser System, mit Ausnutzung der Krisensituation! Die Sondervollmachten sind kein Freibrief für jeden Schwachsinn ! Wenn die Frau Wilmès meint sich "idiotischen Ideen" nicht verweigern zu können, die jetzt von Hintz und Kuntz vorgetragen werden (im dem Ziel "weiter wie vorher"), dann ist sie wohl fehl am Platze und dieses Amtes nicht würdig ! Sie hat wohl schon vergessen, dass sie einen Eid auf unsere Verfassung geschwohren hat ! Zur Erinnerung : Artikel 23