Einer der innenpolitischen Höhepunkte des vergangenen Wochenendes: In Wavre hatte am Sonntag die MR zum Kongress geladen. Georges-Louis Bouchez stand aber in zwei Funktionen im Fokus: Der neue MR-Vorsitzende ist ja auch im Moment in königlicher Mission unterwegs. Zusammen mit dem CD&V-Kollegen Joachim Coens soll er als Informator das Terrain sondieren, um endlich den Weg für eine neue Föderalregierung zu bereiten.
Bouchez gab sich vor der blauen Basis resolut optimistisch. Er glaubt fest daran, dass sich der Nebel jetzt auflösen wird. Das Ganze verbunden mit einem flammenden Appell: "Die Zeit der Hypothesen, der Gerüchte, der persönlichen Interessen, diese Zeit ist vorbei. Jetzt geht es darum, Verantwortung zu übernehmen. Knapp acht Monate nach der Wahl ist jetzt endlich der Moment gekommen, sich an einen Tisch zu setzen."
Aha?, wird sich da der eine oder andere Beobachter gesagt haben. Weiß der Herr Bouchez da vielleicht mehr als wir? Von außen betrachtet ist nämlich nicht so klar ersichtlich, wo dieser Optimismus herkommen soll. Tags zuvor gab es nämlich auch einen wichtigen Termin.
Am Samstag hat der Neujahrsempfang der N-VA in Mechelen stattgefunden. Parteichef Bart De Wever schien - verglichen mit seiner bisherigen Haltung - fast schon Kreide gefressen zu haben. Nach dem Ende der Magnette-Mission hatte De Wever Anfang Dezember noch in alle Richtungen ausgeteilt. Damit hatte er sich nicht unbedingt für eine königliche Mission empfohlen.
Anders diesmal: "Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen", sagte De Wever. Und das sogar im Interview mit der frankophonen RTBF. "Wenn sich ein Regenbogen oder eine Vivaldi-Koalition als unmöglich erweist, dann sind wir in einer neuen Phase", sagt De Wever. Und seine Partei wolle dann auch nicht an der Seitenlinie bleiben: "Wenn wir eingeladen werden, dann kommen wir natürlich."
Und De Wever reicht der PS sogar die Hand. "Wir sind bereit, die kleinen Pensionen anzuheben", sagt der N-VA-Vorsitzende. Das kann man als einen Schritt in Richtung der Sozialisten deuten, PS und auch SP.A wollen ja eine Mindestrente von 1.500 Euro durchsetzen. De Wever knüpft das aber an Bedingungen: "Wir werden kein Geld ausgeben, das wir nicht haben. Erst müsse die Beschäftigungsrate angehoben werden."
Doppeldeutige Situation
Auf der einen Seite kann man davon ausgehen, dass Georges-Louis Bouchez wohl eine Vivaldi-Koalition vor Augen hatte - ein Bündnis aus Sozialisten, Liberalen, Grünen plus CD&V, also eine Regierung ohne die N-VA. Warum? Weil die Frankophonen, insbesondere die PS, nicht mit der N-VA zusammenarbeiten wollen.
Auf der anderen Seite versucht sich jetzt aber die N-VA wieder ins Spiel zu bringen, stellt gar inhaltliche Zugeständnisse in Aussicht. Frage ist: Kann man das einfach ignorieren? Die N-VA ist schließlich die stärkste Partei in Flandern. Die frankophonen Parteien jedenfalls glauben nicht an den scheinbaren Sinneswandel der N-VA. Was nicht heißt, dass die Informatoren bzw. der König auch darüber hinwegsehen können.
Hinzu kommt aber, und das ist das eigentliche Problem: Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die CD&V jetzt bereit ist, die N-VA loszulassen. Eher im Gegenteil. Noch am Wochenende hat Hilde Crevits, also die starke Frau der flämischen Christdemokraten, noch einmal klar gemacht, dass ihre Partei bei ihrer bisherigen Linie bleibt.
Was wollen die Informatoren also dem König präsentieren? Welche Empfehlung können sie aussprechen? Im Moment mag es so aussehen, als hätten sich die Fronten eigentlich nicht bewegt.
Vor diesem Hintergrund gehen also Beobachter davon aus, dass die Informatoren - Optimismus hin oder her - im Endeffekt nur feststellen können, dass die Zeit noch immer nicht reif ist, und dass der König entsprechend ihre Mission nur verlängern kann. Es sei denn, da hätte noch einer einen bislang unbekannten Trumpf im Ärmel.
Roger Pint
Der Satz „ Weil die Frankophonen, insbesondere die PS, nicht mit der N-VA zusammenarbeiten wollen.“ erklärt alles. Aber die NVA ist schuld dass die PS keine Regierung ohne die NVA geformt bekommt. Seltsam, seltsam.
Herr Schumacher, dass die PS oder andere Parteien Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung haben, liegt nicht daran, dass die NV-A nach ihrer und anderer Auffassung der vermeintliche Heilige Graal der belgischen Politik ist, sondern dass sich andere flämische Parteien lieber vor der Rechten (oder gar den Rechtsextremen) prosternieren, um einen weiteren Gesichtsverlust zu vermeiden.
Die Frage ist auch nicht, ob eine Regierung ohne NV-A möglich ist (eine Regierung ohne PS war unter Premierminister Michel ja auch möglich, warum also nicht "Umgekehrt"?), sondern warum in Flandern scheinbar ein Viertel der Bevölkerung lieber konservativ-rechte bis rechtsextreme Scheuklappen aufsetzt?
Unter dem Strich haben 72% der Belgier NICHT für NV-A oder Vlaams Belang gewählt, sondern eine Vielfalt von politischen Sensibilitäten ausgedrückt - wer respektiert denn endlich diese "Meinung"?