"...und sie streiten sich wieder": Resignation inzwischen auch bei einigen Leitartiklern, die das ewige Gezanke auch nicht mehr sehen beziehungsweise hören können.
Diesmal sorgte der flämische Ministerpräsident Jan Jambon für den Anlass. Eher unfreiwillig, denn die Sache kam erst durch die Zeitung De Tijd ans Licht. Am vergangenen Samstag hatte das Blatt ein dreiseitiges Portrait über den N-VA-Politiker veröffentlicht.
Unter dem Titel: "Wer ist der wahre Jan Jambon?", zeigt der Artikel vor allem den paradoxen Charakter des Mannes auf. Eher beiläufig erwähnt De Tijd auch zwei Reden, die Jambon kürzlich vor Mitgliedern gehalten hat. Zwei Reden, in denen er dieselbe Geschichte erzählt hat. Die da lautet: Er habe gehört, dass Asylbewerberfamilien mit dem retroaktiv gezahlten Kindergeld ein Haus hätten kaufen können.
Dazu muss man wissen: In Flandern gibt es in der Tat die Regelung, wonach Asylbewerberfamilien das Kindergeld rückwirkend ausgezahlt wird, wenn das Asylverfahren einmal erfolgreich abgeschlossen ist. Berücksichtigt werden also die Jahre, die sie in der "Warteschleife" verbracht haben.
Klar: Die Prozeduren dauern in Belgien schonmal länger. Aber: Geld für ein Haus? "Kann nicht!", sagt Yves Coemans mit Nachdruck. Coemans ist Experte für Kindergeld beim flämischen Bund der Familien. Er habe sogar extra mal bei Famifed nachgefragt: das war die föderale Behörde, die früher das Kindergeld ausgezahlt hat. Und auch da habe man ihm bestätigt, dass es keinen Fall gegeben habe, in dem ein Asylbewerber von rückwirkend gezahltem Kindergeld ein Haus hätte kaufen können.
Der Bund der Familien räumt ein, dass die Summen tatsächlich mitunter stattlich ausfallen können, wenn die Prozedur extrem lange dauert und die Familie viele Kinder hat. Doch selbst im Extremfall kämen da höchstens 88.000 Euro zusammen. Und damit kauft man in Flandern kein Haus.
Die Geschichte von Jan Jambon entbehrt also eigentlich jeder Grundlage. Und die OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten veröffentlichte daraufhin, man könnte sagen, einen "Brandbrief" auf Facebook. Das sei eine rechtsextreme Urban Legend, eine Großstadtlegende. Genau solche Geschichten verbreitet auch der rechtsextreme Vlaams Belang im Netz und solche Mythen fallen mitunter leider auf fruchtbaren Boden.
Die "Hören-Sagen-Geschichte" von Jan Jambon erinnert jedenfalls an dieses Register. Gwendolyn Rutten bezeichnete ihn denn auch gleich als "Papageien der extremen Rechten".
Klingt, als hänge da der Haussegen also schon wieder ziemlich schief. N-VA und OpenVLD sitzen ja schließlich zusammen in der flämischen Regierung.
Wilfried Vandaele, der Fraktionschef der N-VA im flämischen Parlament, kann die beißende Kritik der Koalitionspartnerin jedenfalls so gar nicht nachvollziehen. "Mein Gott, wenn man, wie Jambon, vor Mitgliedern spricht, da benutzt man auch mal eine rhetorische Abkürzung, da braucht man auch mal ein prägnantes Bild, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Das macht doch jeder so."
Bei all dem vergesse man den eigentlichen Inhalt, sagt Wilfried Vandaele. Und darum gehe es doch. Eben um die Tatsache, dass Asylbewerberfamilien mitunter stattliche Summen kassieren.
Was Jambon freilich nicht erwähnt hat, das ist, dass eben diese Regelung von der Vorgängerregierung eingeführt wurde und die wurde geleitet von seinem Parteifreund, Geert Bourgeois. Und was er auch nicht sagt, das ist, dass die Koalition bereits beschlossen hat, die Maßnahme wieder abzuschaffen.
Man kann ihm also mindestens Stimmungsmache unterstellen. Jambons Parteifreund, Fraktionschef Vandaele, bleibt aber dabei: Hier werde aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Und er hoffe, dass jetzt alle wieder besonnen an die Arbeit gehen können.
Allerdings scheint diese Episode eher noch dazu zu führen, dass sich die Fronten weiter verhärten. Zeitungen glauben jedenfalls, dass eine Föderalregierung mit der N-VA dadurch nur noch unwahrscheinlicher geworden ist.
Roger Pint