Vergangene Woche erst hatte Fußball-Nationaltrainer Roberto Martinez den Finger wieder in die klaffende Wunde gelegt: Nach der tadellosen Qualifikation der Roten Teufel für die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr hatte Martinez bitter beklagt, dass seine Mannschaft kein einziges Spiel dieser diesmal dezentral ausgetragene EM vor heimischem Publikum spielen werde. Doch nun gibt es einen Alternativvorschlag vom wallonischen Minister für Sportinfrastruktur, Jean-Luc Crucke: Das neue Fußballnationalstadion könnte nach neuen Plänen in Tubize entstehen.
Der MR-Politiker Jean-Luc Crucke ist in der wallonischen Regierung nicht nur Minister für Sportinfrastruktur. Sondern gleichzeitig auch Minister für Finanzen, Haushalt und Flughäfen. Alles Zuständigkeiten, die ihn als durchaus kompetent erscheinen lassen, den Vorschlag zu machen, das neue Fußball-Nationalstadion in der wallonischen Gemeinde Tubize südlich von Brüssel zu bauen.
Tubize kennen die Roten Teufel gut. Dort befindet sich ihr Trainingszentrum. Dort halten sie sich vor jedem Spiel der Nationalmannschaft ein paar Tage lang auf.
Das neue Stadion könnte direkt neben diesem Trainingszentrum entstehen. In Tubize und ein bisschen auch auf dem Grund und Boden der flämischen Nachbargemeinde Halle. Diese Lage findet Crucke besonders gut: "Wir befinden uns hier an der Sprachgrenze zwischen Flandern und der Wallonie. Das Signal zu senden, dass Wallonen und Flamen zusammenarbeiten können – übrigens vor den Toren von Brüssel – ist vielleicht eine interessante Symbolik für die Zukunft, die damit dann auch die Dummheiten der Vergangenheit auslöschen kann."
Das Nationalstadion wäre nicht die einzige Infrastruktur, die neu nach Tubize käme. Auch die nationalen Verbände für Fußball und Radsport – die beiden größten Sportverbände des Landes, wie Crucke in Erinnerung ruft – werden bald ihren Sitz in Tubize haben. Die Gemeinde könnte sich zu einer Art Sporthauptstadt des Landes entwickeln.
Verkehrstechnisch ist Tubize mit einem nahen Autobahnkreuz gut angebunden. Die internationalen Flughäfen Zaventem und Charleroi liegen etwa gleich weit von Tubize entfernt. Alles Trümpfe, die den Vorschlag von Minister Crucke ziemlich sinnvoll erscheinen lassen.
Beim Belgischen Fußballverband zeigt man sich entsprechend offen. Dessen Präsident Mehdi Bayat erinnert zwar daran, dass die Priorität des Verbandes zurzeit die Renovierung des König Baudoin Stadions in Brüssel sei. Aber wenn es gute Alternativen gebe, sei man dafür natürlich auch offen.
"Ich finde es sehr gut", sagte Bayat, Präsident des Belgischen Fußballverbandes, gegenüber der RTBF, "dass die Politik sich wieder für das Thema Nationalstadion interessiert. Das Interesse unseres Verbandes ist es zumindest, dass unsere Mannschaft und vor allem unsere Fans unter den besten Bedingungen an einem Spiel teilnehmen können. Man muss jetzt mal schauen, was möglich ist und wie das verwirklicht werden kann."
Beim PS-Bürgermeister von Tubize stößt der Vorstoß von Minister-Cruck nicht auf direkte Ablehnung. Aber er gibt auch zu bedenken: "Man muss als erstes an den Verkehr denken. Und auch an den Zweck, an die Nutzung des Stadions. Was machen wir mit dem Stadion, wozu soll es dienen? Klar, für die Spiele der Roten Teufel. Das sind fünf Spiele im Jahr. Was macht man im Rest des Jahres? Welche Veranstaltungen soll es geben? Man braucht Parkplätze, und das Einverständnis von allen."
Das Einverständnis von allen ist tatsächlich einer der zwei großen Knackpunkte, die das Projekt zurzeit noch hat. Schon der Bürgermeister von Halle, der SP.A-Politiker Marc Snoeck, zeigt sich in der Zeitung Le Soir mit ähnlichen Bedenken hinsichtlich der Infrastruktur deutlich skeptischer gegenüber dem Projekt, als der Bürgermeister von Tubize.
Crucke selbst will noch bis Ende des Jahres mit dem flämischen Sportminister Ben Weyts über die Pläne sprechen.
Und dann geht es ja auch noch um Geld. Hier sieht Crucke eine Mischfinanzierung vor durch Gelder von den Regionen, der Provinz, der föderalen Ebene und privaten Investoren.
Das neue Stadion, es steht also noch längst nicht. Aber zumindest ist die Debatte um ein komplett neues Schmuckkästchen als künftige Heimstätte für die Roten Teufel wieder lanciert.
Kay Wagner