Seit einer Woche ist Charles Michel nicht mehr belgischer Premierminister. Das geschäftsführende Regieren ohne Mehrheit und über Monate hinweg kann dem MR-Politiker nicht leicht gefallen sein. Umso befreiter trat er nun im Radioprogramm von Matin Première vors Mikro.
Mit Kritik an seinen politischen Gegnern hielt er sich dabei nicht zurück. Der PS und der N-VA warf der Liberale einen Mangel an Kompromissbereitschaft bei den Koalitionsgesprächen vor: „Die PS und die N-VA sind in ihrer jeweiligen Gemeinschaft stärkste Partei geblieben. Und in Belgien ist es eben so, dass man nicht mutig ist, wenn man stur an seinem Wahlprogramm festhält. Wir brauchen Kreativität und Innovation, um eine Mehrheit zu finden und dieses Land zu regieren.“
Anlass war der für Montagnachmittag geplante Besuch der beiden Unterhändler von N-VA und PS, Geert Bourgeois und Rudy Demotte beim König. Einen Fortschrittsbericht über die Koalitionsgespräche sollen die Vertreter der beiden aktuell wichtigsten Parteien im Land vorlegen. Doch die Erwartungen sind gering. Die Positionen der Wahlgewinner im Norden und im Süden Belgiens scheinen zu weit auseinander zu liegen.
Mit Kreativität aufeinander zugehen, das ist also der Ratschlag des ehemaligen Regierungschefs Charles Michel. Aber bloß auch nicht zu viel! Michel warnt die PS zum Beispiel inständig davor, zu große Zugeständnisse an die N-VA beim Thema Föderalismus zu machen. Die flämischen Nationalisten haben ja eine weitere Staatsreform hin zu noch mehr Eigenständigkeit der Regionen zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit den wallonischen Sozialisten gemacht.
„Aber eine solche x-te Staatsreform würde der demokratischen Entscheidung der Wähler zuwiderlaufen“, meint Michel. „Denn im Wahlkampf ging es damals eben nicht um eine Staatsreform, sondern um Klimaschutz, um Arbeitsplätze, um Steuern und um Sicherheitsfragen.“
Und auch die CD&V bekommt von Michel ihr Fett weg. Genauer gesagt deren Anwärter auf den Parteivorsitz Joachim Coens. Der hatte vergangene Woche mit dem Vorschlag, eine Expertenregierung einzusetzen, von sich reden gemacht.
„Aber wozu wird dann überhaupt gewählt, wenn fünf Monate später eine Expertenregierung eingesetzt wird?“, fragt Michel. „Wir haben in Belgien und Europa das Glück, in einer Demokratie zu leben. Und diejenigen, die sich zur Wahl stellen, haben dann anschließend die Pflicht, das Wahlergebnis zu respektieren und eine Regierung zu bilden.“
Vorgezogene Neuwahlen hält der Ex-Premier ebenfalls nicht für eine geeignete Lösung. „Wenn jetzt erneut gewählt wird, ist die politische Landschaft anschließend vermutlich noch ein Stück weit komplexer als jetzt schon. Aber die Probleme am Arbeitsmarkt, bei der Steuergerechtigkeit und dem Klimaschutz wären weiterhin dieselben. Wir hätten also lediglich Zeit verloren.“
Egal ob nun eine Regierungsmehrheit gefunden wird, weiter Stillstand herrscht oder gar erneut gewählt wird - Charles Michel wird mit all dem erst einmal nicht mehr direkt zu tun haben. Als nächster EU-Ratspräsident soll der 43-Jährige in den nächsten Jahren die Treffen der Minister und Staats- und Regierungschefs der EU-Länder koordinieren. An Belgien glaubt er aber fest: „Ich sehe in unserem Land, dass das, was uns zusammenhält und eint, stärker ist als das, was uns trennt“.
Peter Esser
Schon ziemlich dreist von Michel, auf politisches Verantwortungsbewusstsein zu pochen, nachdem er das Land/den Karren in den Sand gesetzt hat..
Ein Deserteur hat keine Forderungen zu stellen. Das ist schon eine Frechheit! Hat nichts anderes auf die Reihe gebracht als den Steuerzahler zu melken.
Man stelle sich einen Kapitän vor der sein Schiff in vollem Bewusstsein auf ein Riff setzt, dem Schiffsjungen das Ruder übergibt, sich von diesem noch schnell zum Admiral befördern lässt und dann in aller Eile im einzigen Rettungsboot den Kahn verlässt. Und dann noch aus sicherer Entfernung versucht die verbleibende Crew zu belehren. Wie sagte eins ein Fußballtrainer: „Birne leer“, oder so ähnlich.