Bis Montag hatten alle EU-Mitgliedstaaten einen Kandidaten für den Posten eines EU-Kommissars mitteilen sollen.
Schon allein aus diesem Zeitdruck heraus hatte Charles Michel am Samstag gehandelt. Es sei im Interesse des belgischen Staats, nicht ohne Kandidaten dazustehen, begründete der Premier. Seine Regierung sei zur Nominierung legitimiert, weil sich noch keine neue Regierung auf föderaler Ebene abzeichnet, die diese Aufgabe hätte wahrnehmen können.
Außerdem habe er zuvor Gespräche auch mit Vorsitzenden der Oppositionsparteien geführt. Reynders sei der Kandidat gewesen, der die meiste Zustimmung aus dem Parlament bekommen hätte.
Trotzdem hagelt es seit Samstag von allen Seiten Kritik an der Entscheidung. Von N-VA über Défi, PS, Ecolo und Groen bis hin zur PTB - Vertreter all dieser Parteien bedauerten die fehlende Parlamentsdebatte im Vorfeld der Entscheidung. Défi-Präsident Olivier Maingain sprach sogar von einem Bruch der Verfassung. Ecolo und Groen hätten es lieber gesehen, wenn eine Frau nominiert worden wäre.
Reynders selbst wünschte am Sonntag per Twitter allen Lesern des Tweets einen angenehmen Sonntag. Wahrscheinlich am Dienstag wird er zu einem ersten Gespräch mit seiner wohl künftig neuen Chefin, der deutschen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, erwartet.
Der rechtsextreme Vlaams Belang hat am Montag angekündigt, gegen die Ernennung von Reynders als Kommissions-Kandidat Klage vor dem Staatsrat einzureichen. Die geschäftsführende Minderheitsregierung von Charles Michel habe nicht das Recht dazu, einen Kandidaten zu nominieren, ohne das Parlament vorher darüber abstimmen zu lassen, begründet der Vlaams Belang.
Kay Wagner