Ist Onkelinx wirklich eine Gefahr für Reynders? Bei all dem, was man am Donnerstag und auch Freitag noch hören konnte: eigentlich nicht. Onkelinx ist am Donnerstagnachmittag zwar offiziell von der PS ins Rennen geschickt worden, aber die Sozialisten haben dabei auch betont, das sei kein Manöver gegen Reynders. Vielmehr solle die Kandidatur von Onkelinx komplementär zu der von Reynders verstanden werden. Was das heißen soll, haben die Sozialisten aber nicht erklärt, und das ist auch am Freitag nicht deutlicher geworden.
Man kann sich also die Frage stellen, warum die PS Onkelinx dann überhaupt vorgeschlagen hat, wenn sie doch anscheinend keine Konkurrenz zu Reynders sein soll. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass es ein Manöver ist, um etwas ganz anderes zu erreichen, als wirklich Onkelinx in die EU-Kommission zu schicken.
Da gibt es Stimmen, die auf die Verhandlungen der PS in der Wallonie mit der MR verweisen. Beide Parteien wollen, bzw. müssen dort gemeinsam eine neue Regierung bilden. Und da wolle die PS mit der Personalie Onkelinx Druck auf die MR ausüben, um von der MR Zugeständnisse für die Regionalpolitik zu bekommen. Quasi nach dem Motto: Wir verzichten auf Onkelinx, aber dafür akzeptiert ihr von der MR in der Wallonie diesen oder jenen Punkt unserer Forderung.
Die Chance, dass Onkelinx tatsächlich nominiert werden könnte für die EU-Kommission, ist bei genauerem Hinsehen doch ziemlich klein. Traditionell ist es in Belgien so, dass der EU-Kommissars-Kandidat aus den Reihen der Föderalregierung ernannt wird. Die PS ist aber in der Opposition. Und wahrscheinlich würde der PS dadurch auch jegliche Möglichkeit fehlen, Onkelinx überhaupt durchzusetzen, selbst wenn man das wolle.
Da ist MR-Chef Charles Michel schon in einer besseren Position. Er ist ja noch Premierminister und kann allein aus dieser Position heraus schon bestimmen, wer es denn jetzt sein soll. Richtig ist allerdings auch, dass Michels Regierung ja weiter keine Mehrheit im Parlament hat, der Kandidat für die Kommission aber eigentlich auch vom Parlament gewählt wird.
Michel soll deshalb auch gerade dabei sein, eine Mehrheit im Parlament hinter die Personalie Reynders zu bekommen. Für eine Abstimmung im Parlament müsste das Parlament aber auch zusammentreten, doch das ist zurzeit gar nicht geplant.
Das große Problem ist, dass die einzelnen EU-Mitgliedstaaten ihre Kandidaten für die Ämter der EU-Kommissare bis spätestens Montag genannt haben sollen. Das sind nur noch drei Tage und bis dahin tritt das Parlament tatsächlich nicht mehr zusammen. Letztlich wird Michel die Entscheidung wohl alleine fällen, will diese Entscheidung aber gedeckt wissen von einer Mehrheit im Parlament.
Für Onkelinx gäbe es als Gegenkandidatin zu Reynders auf jeden Fall keine Mehrheit. Zumindest dann nicht, wenn alles logisch verlaufen sollte. Die N-VA hat anscheinend schon klar nein zu Onkelinx gesagt. Der Vlaams Belang wird sie auch nicht wählen. Die aktuellen Regierungsparteien wohl auch nicht - und das wäre es dann schon gewesen.
Im Grunde läuft wohl trotz des Wirrwarrs, den die PS am Donnerstag erzeugt hat, weiter alles auf Didier Reynders als neuer belgischer EU-Kommissar hinaus.
Kay Wagner