"Es ist klar, dass es Spannungen gibt." Der, der das sagt, ist der Open-VLD-Politiker Sven Gatz. Er muss es wissen. Er hat zusammen mit Guy Vanhengel die Regierungsverhandlungen für die flämischen Liberalen geführt. Und das nicht im Sinne von Parteichefin Gwendolyn Rutten. Die wollte unbedingt, dass die beiden dafür sorgen, dass die frankophonen Liberalen von der MR mit im Boot sitzen. Der Hauptgrund: Damit es eine gewisse Kohärenz gibt zwischen der Region Brüssel und der Wallonischen Region, wo es derzeit danach aussieht, dass die MR dort auf jeden Fall in der Regierung sitzen wird. Doch den Wunsch haben PS und Ecolo in Brüssel den beiden Open-VLD-Verhandlungsführern ausgeschlagen. Mehrfach habe man vergeblich versucht, gefragt, gefleht und gefordert wie Sven Gatz erzählt.
Zuletzt hatte dann Gwendolyn Rutten das Ruder in die Hand genommen, die letzte Verhandlungsrunde am Dienstag stundenlang verzögert, um Gatz und Vanhengel ins Gebet zu nehmen. Genutzt hat es am Ende nichts. Gatz und Vanhengel sagten sich: "Wir haben ein positives Projekt, ein gutes Regierungsabkommen. Wir müssen nun weiter verhandeln, ansonsten sind wir noch am Ende draußen." Wahrscheinlich auch, weil den beiden das Wohl der Stadt wichtiger war als das der Partei.
In den Ohren von Gwendolyn Rutten müssen solche Sätze wie eine Bedrohung ihrer Autorität als Parteivorsitzende geklungen haben. Het Laatste Nieuws brachte es am Donnerstagmorgen in ihrem Leitartikel spitzfindig auf den Punkt: "In Brüssel haben sich Sozialisten, Grüne, Défi und die Partei Vanhengel-Gatz zusammengefunden." Keine Rede von Open VLD. Das Ganze dürfte bestimmt noch ein Nachspiel haben. Beim Open-VLD-Kongress am Mittwochabend, wo über das Regierungsabkommen abgestimmt wurde, war Gwendolyn Rutten dann auch gar nicht da. Der Kongress dauerte zwar länger als sonst, am Ende waren dann doch 85 Prozent dafür, wie Sven Gatz erklärt. Ein deutliches Mandat, das Sven Gatz auch angenommen hat. In der neuen Regierung wird er Haushalts- und Finanzminister. Immerhin ein wichtiger Posten, um liberale Ideen wie Steuersenkungen umzusetzen.
Derzeit ist Gatz allerdings noch Minister für Kultur, Medien und Jugend der geschäftsführenden Regierung in Flandern. Ob seine Chefin Rutten ihn angesichts der Ereignisse der letzten Tage auf diesem Posten noch lässt, ist wohl mehr als fraglich. Gatz selbst hat allerdings kein Problem damit, Flandern hinter sich zu lassen. Er habe keine Ambitionen auf zwei Posten, die Frage sei nur, wie kompliziert man es machen will.
Gatz glaubt, dass sich das Verhältnis zu seiner Chefin wieder entspannen wird. Er sei schon sehr lange in der Politik. Das, was jetzt passiere, müsse man relativieren. Es sei immer besser, überein zu kommen. Alles werde immer gut. Die Menschen kämen immer wieder aufeinander zu.
Regierungsmannschaft für die Region Brüssel-Hauptstadt steht
Volker Krings