König Philippe hat am Dienstag seine Konsultationen fortgesetzt. Schon am Montag war der König mit den Präsidenten der beiden größten Parteien zusammengetroffen: Bart De Wever für die N-VA und Elio Di Rupo für die PS.
Am Dienstag ging's dann erst mit den Grünen weiter, d.h. den Vorsitzenden von Groen und Ecolo. Dann war CD&V-Chef Wouter Beke an der Reihe, dann Olivier Maingain von Défi, danach Gwendolyn Rutten von der OpenVLD und schließlich der SP.A-Vorsitzende John Crombez.
Eine Logik in der Reihenfolge ist da nicht erkennbar. Denkbar ist, dass das mit dem Vlaams Belang zu tun hat. Der Palast steht nämlich vor der heiklen Frage, ob man den Vlaams Belang zu den Konsultationen einladen soll oder nicht.
Das wäre eine Premiere in der jüngeren Geschichte, denn bislang ist der Vlaams Belang noch nie in den Palast eingeladen worden. König Baudouin hat damals, nach dem ersten Schwarzen Sonntag, keinen Vertreter des Vlaams Blok eingeladen, wie die Partei damals noch hieß. 1991 hatte der Blok seinen Durchbruch und es in die Kammer geschafft. König Baudouin hat die Rechtsextremisten aber in der Folge nicht zu Konsultationen eingeladen. Gleiches gilt für König Albert. 2004 war der Vlaams Belang durch die Decke gegangen: Einer von vier Flamen stimmte damals für die Rechtsextremisten. Aber auch damals gab's keine Einladung aus dem Palast.
Jetzt hat der Belang 18,5 Prozent erzielt und die Frage stellt sich erneut. Doch diesmal hat man den Eindruck, liegen die Dinge anders. Vielleicht hat es damit zu tun, dass der Belang nicht mehr so offen rassistisch auftritt wie früher. Jedenfalls gibt es Stimmen in Flandern, die sagen: Die Zeiten haben sich geändert. Der König sollte den Wählerwillen respektieren und eben die 18,5 Prozent, die für die Partei gestimmt haben.
Im Grunde kann der König hier nur falsch entscheiden. Lädt er den Belang nicht ein, dann versetzt er die Rechtsextremisten in die Opferrolle und dann wird die N-VA einstimmen, nach dem Motto: Der undemokratische König missachtet den flämischen Volkswillen. Und sollte der Palast doch den Belang einladen, dann wird man dem König vorwerfen, dass er noch dazu beiträgt, dass die Rechtsradikalen salonfähig werden und eigentlich "eine Partei wie jede andere" ist.
Kein Weg führt an De Wever vorbei
Eine Patentlösung gibt es da nicht und irgendwie hat man den Eindruck, dass die Lage schon jetzt verfahren ist. Es ist vor allem Bart De Wever, der im Grunde den ganzen Politikbetrieb gleich "unter Hochspannung gesetzt hat", wie es die Zeitung De Standaard formulierte.
De Wever will die Gunst der Stunde nutzen. Die N-VA hat zwar sieben Prozent verloren, ist aber nach wie vor stärkste Kraft in Flandern. Der Vlaams Belang hat zwölf Prozent zugelegt und ist zweitstärkste Partei. Insgesamt kommen beide Parteien in der Kammer auf 43 Sitze - das ist fast die Hälfte der flämischen Mandate im Brüsseler Parlament. De Wever sagt jetzt: Was beide Parteien verbindet, das ist die flämisch-nationalistische Gesinnung. Der flämische Nationalismus hat also gewonnen. Und weil an ihm quasi kein Weg vorbeiführt, will er jetzt die Konditionen diktieren. Konkret: Für ihn muss jetzt über den Konföderalismus verhandelt werden - und damit meint Bart De Wever die Spaltung des Landes.
Kritiker sagen immer, dass der Konföderalismus à la De Wever eine leere Dose ist. Aber wenn man den Wortsinn nimmt und das Ganze zu Ende denkt, dann ist Belgien danach allenfalls noch eine leere Hülle und die meisten Zuständigkeiten liegen dann bei den Teilstaaten.
In jedem Fall würde das aber heißen, dass wir wieder monatelang über eine Staatsreform reden würden, bzw. besser gesagt: über eine komplette Neuordnung des Staates. Dafür gibt es aber nicht den Ansatz einer Mehrheit. Die Frankophonen winken alle ab und auch die anderen flämischen Parteien wollen das nicht. Nur De Wever hat tatsächlich die Macht, das Land zu blockieren. Nicht aus eigener Kraft, aber weil eben der Vlaams Belang so groß geworden ist.
Ohne die N-VA kann man in Flandern keine Regierung bilden. Und auch auf der föderalen Ebene führt eigentlich kein Weg an ihm vorbei. De Wever hat jetzt, wahrscheinlich auch für ihn etwas überraschend, das erreicht, was er immer wollte: Er kann die Situation verrotten lassen und damit beweisen, dass das Land nicht mehr funktioniert.
Möglicher Ausweg
Einen möglichen Ausweg hat PS-Chef Elio Di Rupo ins Spiel gebracht, nämlich eine Koalition, die auf flämischer Seite keine Mehrheit hätte. Im Moment zumindest ist das aber nicht realistisch. Di Rupo hat vorgerechnet, dass wenn man die vier "traditionellen" Parteien CD&V, OpenVLD, Groen und SP.A in ein Boot setzt, dann ist eine Koalition ohne die Nationalisten möglich. Die hätte allerdings keine Mehrheit in Flandern.
Genau davor hatte De Wever aber schon am Wahlabend gewarnt. Und die N-VA-Spitzenpolitiker Theo Francken und Jan Jambon haben in den letzten Stunden aus allen Rohren geschossen. Das Szenario sei völlig abwegig, sagt Jambon. Eine Koalition, die in Flandern keine Mehrheit hat? Wenn auf der anderen Seite der flämische Wähler massiv flämisch-nationalistisch gewählt hat? Undenkbar! Weltfremd! Arrogant von Di Rupo, so die Meinung von Jambon.
Ob es wirklich klug von Di Rupo war, hier als PS-Präsident Koalitionsempfehlungen nach Flandern zu schicken - die Frage sei dahingestellt. Kritik erntete Di Rupo dafür auch schon auf frankophoner Seite. Défi-Chef Olivier Maingain z.B. meinte, Di Rupo hätte das zum jetzigen Zeitpunkt besser nicht gesagt.
Wenn König Philippe seine Konsultationen abgeschlossen hat, dann will es die Tradition, dass er einen sogenannten Informator ernennt. Der soll dann mögliche Koalitionen ausloten. Oft ist das der Vorsitzende der größten Partei. Das wäre also N-VA-Chef Bart De Wever. Nur stellt sich die Frage: Hat De Wever überhaupt ein Interesse daran, eine mögliche Koalition zu finden? Wieso sollte jemand, der das Land ganz offensichtlich spalten oder zumindest grundlegend umkrempeln will, aufrichtig nach einer Lösung suchen? Man möchte wirklich nicht mit dem König tauschen.
rop/mg