Es ist klar, was die PS will: nämlich zurück an die Macht. Die zurückliegende Legislaturperiode war eine Durststrecke für die Partei: Nach den Wahlen 2014 fand sie sich auf föderaler Ebene das erste Mal seit 1987 in der Opposition wieder.
Erdrutschartig waren die Verluste dabei nicht gewesen. Dennoch hinterließen die knapp drei Jahre, die der heutige PS-Vorsitzende Elio Di Rupo nach einer langen Phase der Regierungsbildung Premierminister war, eine Reihe enttäuschter Wähler. Der Aufstieg der PTB in den vergangenen Jahren ist teilweise dadurch begründet.
Dass die PS trotzdem wieder eine gewichtige Rolle bei den anstehenden Wahlen spielen würde, davon gingen eigentlich alle aus. Aber dann kamen 2017 die Skandale rund um Publifin und den Brüsseler Samusocial. Die PS schien angeschlagen, verlor die Regierungsverantwortung in der Wallonie, ein Debakel für die Wahlen stand zu befürchten.
Die Watsche bei den Kommunalwahlen im Oktober fiel dann weniger schallend aus, als erwartet. So dass Di Rupo am 1. Mai ziemlich selbstbewusst vor seinen Parteigenossen sagen konnte: "Liebe Freunde, wir können optimistisch sein. Optimistisch, weil die PS in guter Verfassung ist. Unsere Energie ist wieder da."
Stärkste Partei in der Wallonie und Brüssel - für beides geht die PS ins Rennen. Sie stützt sich dabei auf ein Wahlprogramm mit 170 Vorschlägen. Vereinfachte Zusammenfassungen kann man bei der PS in Bündeln von "Die 20 wichtigsten Vorschläge" und "Die zehn roten Linien" finden.
Der Schwerpunkt liegt dabei deutlich und ganz klassisch für die Sozialisten auf dem Sozialen. Kostenlose Haus- und Zahnarztbesuche, Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro, eine Garantie der automatischen Indexerhöhung für Gehälter, Renten und Sozialleistungen. Eine garantierte Hilfe zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, eine Mindestrente von 1.500 Euro pro Monat, Rückkehr des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Senkung der Mehrwertsteuer für Strom von 21 auf sechs Prozent. Oft genannt auch die Forderung nach einer kostenlosen Mittagsmahlzeit für alle Kinder im Kindergarten und in der Grundschule. Bahn, Rechtswesen und Polizei sollen mit mehr Geld ausgestattet werden, Abtreibung bis zur 18. Schwangerschaftswoche erlaubt und völlig straffrei gemacht werden.
Die Sorge um das Klima findet sich in den Prioritäten weniger deutlich wieder, als in den Worten von Di Rupo, wenn er sagt: "Die drängenden Fragen zum Klima müssen zusammen mit den drängenden sozialen Fragen beantwortet werden. Beide Angelegenheiten laufen parallel und gehen in die gleiche Richtung."
Gerade bei der Gebäudesanierung soll etwas für die Klimarettung getan, aber auch der öffentliche Nahverkehr deutlich gestärkt werden. Bis 2050 will die PS Europa klimaneutral sehen, die Kernkraftwerke in Belgien bis 2025 alle abgeschaltet haben.
Wie das alles finanziert werden soll, auch dafür hat die PS eine Idee: "Um unsere Vorschläge zu finanzieren, wollen wir einfach nur Steuergerechtigkeit herstellen", sagt der Parteichef. "Nichts mehr und nichts weniger. Und mit Steuergerechtigkeit meine ich eine Steuer auf große Vermögen." Ein großes Vermögen, das heißt bei den Sozialisten 1,25 Millionen Euro oder mehr.
Dass dies keine Politik ist, die gemeinsam mit rechten Kräften geführt werden kann, ist der PS dabei durchaus klar. Der mittlerweile langjährige PS-Kronprinz Paul Magnette, der in allen Krisen der vergangenen Jahre loyal zu Di Rupo gehalten hat, spitzt die Wahl am Sonntag auf eine Richtungswahl zu: "Man kann es kaum deutlicher sagen", so Magnette. "Es geht entweder um eine Regierung aus MR und N-VA - also fünf weitere Jahre mit der gleichen Politik, die wir zurzeit erleben - oder um eine Regierung mit uns und ohne der N-VA."
Die neue Regierung mit PS-Beteiligung soll laut Willen der Sozialisten so progressistisch wie möglich sein - was immer das auch heißen mag. Als natürlicher Regierungspartner gilt Ecolo. Aber grundsätzlich zumindest will die PS auch der MR, CDH und PTB die Tür für mögliche Koalitionsbildungen weiter offenhalten.
Kay Wagner