Der Clip fängt eigentlich ganz nett an. Zu einer fröhlich-beschwingten Musik betritt eine Frau im mittleren Alter, Frédérique aus Hamois, wie der Clip vorgibt, einen Fleischerladen und fragt nach dem Kilopreis für Rindersteak: "19 Euro das Kilo", erwidert Fleischer Philippe. "Noch", fügt er hinzu. Die Gelegenheit sollte sich Frédérique nicht entgehen lassen. Denn bald schon werde das Kilo viel teurer sein.
"Viel teurer, warum denn das?", fragt erstaunt Frédérique? "Na, wegen der Grünen", antwortet Philippe. "Mit den Grünen wird immer alles teurer. Jetzt wollen sie auch noch die Steuer auf das Fleisch erhöhen."
Die Entrüstung über so eine Fleischsteuer ist bei Kundin Frédérique genau so groß, wie im Werbespot bei der Ex-Landwirtschaftsministerin Sabine Laruelle, natürlich von der MR. Mit der MR, so die Botschaft des Clips, werde so eine Steuer auf Fleisch dann auch keinen Fall kommen.
Aber: Wollen die Grünen wirklich eine neue Steuer auf Fleisch einführen? Natürlich nicht, sagen die Parteispitzen von Ecolo und Groen: "Ich möchte es ein für alle Mal sagen", so Ecolo-Co-Parteivorsitzender Jean-Marc Nollet. "In unserem Programm steht nichts von einer Fleischsteuer drin. Das sind Fake-News. Das ist eine Falschinformation, die von der MR erfunden wurde."
Auch Kristof Calvo von Groen spricht gegenüber der RTBF von Fake-News und findet es schade, dass so ein Video verbreitet werde. "Ich würde mir", so Calvo, "von Charles Michel wünschen, dass er einen Wahlkampf macht, der eines Premierministers würdig ist: Für alle Bürger, für das Klima, mit seinen Vorschlägen und nicht gegen Ecolo und Groen."
Gezielte Angriffe auf politische Gegner oder andere Parteien in Wahlwerbespots sind allerdings durchaus üblich in Wahlkampfzeiten. Nur, daran erinnert am Donnerstag die Zeitung l’Avenir, sollten solche Angriffe dann auch hieb- und stichfest sein. Sprich: gut recherchiert und beruhend auf Fakten. Überzeugende Argumente müssten vorgebracht werden, mit Zitaten oder Zahlen untermauert.
Das alles fehle aber bei dem Clip der MR. Wer angreift, müsse sich selbst unangreifbar machen. Das habe die MR weit verfehlt. L’Avenir spricht von einem "großen Fiasko", das sich die Partei mit dem Clip eingehandelt habe.
MR-Wahlkampfsprecher Georges-Louis Bouchez hingegen wehrt sich gegen jegliche Kritik. "Das, was wir in dem Clip sagen, ist nicht falsch", so Bouchez. Denn Ecolo sage durchaus, dass die Landwirtschaft die Umwelt verschmutze. Ecolo habe bestätigt, dass Fleisch die Umwelt verschmutze und dass umweltverschmutzende Produkte besteuern werden sollen. "Ecolo müssen jetzt klar sagen, welche Produkte in ihren Augen umweltverschmutzende Produkte sind."
Auch die Aggressivität, die nicht nur Grüne aus dem MR-Clip herauslesen, verteidigt Bouchez. Er sagt: "In den fünf vergangenen Jahren wurde uns ziemlich viel vorgeworfen. Von Faschismus über sozialen Kahlschlag bis hin zu allen möglichen verbalen Tiefschlägen. Und da finde ich, hat eine politische Partei das Recht, die verschiedenen Projekte miteinander zu vergleichen. Punkt für Punkt."
Bei einigen MR-Politikern ist allerdings in den vergangenen Stunden wohl dennoch die Einsicht gereift, dass man mit dem Clip vielleicht etwas zu weit gegangen ist. "Das war wahrscheinlich ein bisschen zu übertrieben", räumte MR-Außenminister Didier Reynders Donnerstagvormittag im Radiosender Bel-RTL ein. Um dann aber auch hinzuzufügen, dass solche Vereinfachungen zu Wahlkämpfen dazugehören. Und Groen ja immerhin vorschlagen würde, Werbung für Fleisch zu verbieten.
Kay Wagner