Montag schon hielten FGTB und Solidaris gemeinsam ein Kolloquium ab. Sowohl für die Gewerkschaft als auch für die Krankenkasse war das eine Gelegenheit, sich ihrer Einigkeit zu vergewissern. Einigkeit nämlich darin, dass sich in Belgien etwas ändern müsse.
"Gleichheit, Solidarität und Würde – der Weg zur sozialen Gerechtigkeit" lautete das Motto des Kolloquiums. Diesen Weg hoffen Gewerkschaft und Krankenkasse nach den anstehenden Wahlen am 26. Mai beginnen zu können. Unter einer neuen Regierung, die dann den Stempel der sogenannten progressiven, sprich linken Parteien tragen soll. Also von PS, Ecolo und/oder PTB.
Die 1. Mai-Kundgebung in La Louvière ein erster Schritt dorthin? Quasi ein Schulterschluss von PS, FGTB und Solidaris? "Nein", antwortete FGTB-Präsident Robert Vertenueil Mittwoch auf die Frage bei der RTBF. Und erklärte: "Die PS hat bei der Krankenkasse und bei der Gewerkschaft angefragt, auf der Veranstaltung etwas zu sagen. Das Angebot habe ich angenommen unter der Voraussetzung, die Botschaft der FGTB vorbringen zu können."
Die Botschaft der FGTB, das sind zunächst ihre politischen Forderungen: "Ein Mindestgehalt von 14 Euro die Stunde, eine Mindestrente von 1.500 Euro, die Rente ab 65 Jahre und noch eine Reihe anderer Forderungen, die ich auf den Tisch gelegt habe, zum Beispiel ein bisschen mehr Steuergerechtigkeit", führte Vertenueil aus.
Vieles von diesen Forderungen sieht Vertenueil in den Programmen von PS, PTB und Ecolo, teilweise aber auch von CDH und Défi verwirklicht. All diese Parteien wären also gleichsam natürliche Verbündete der FGTB.
Doch Programme alleine, reichen dem Gewerkschaftsboss nicht. Er schaut über den Wahltag hinaus und sagt: "Was ich als Vertreter der FGTB von der PS und den anderen Parteien erwarte, ist, dass sie nach den Wahlen die Versprechen, die sie jetzt geben und die den Forderungen der FGTB entsprechen, auch tatsächlich umsetzen."
Vor allem an PTB und Ecolo richtet Vertenueil dabei einen Appell. Im Interview mit der Zeitung "Le Soir" fordert er Dienstag von der PTB, dass sie sich nicht vor der Regierungsverantwortung drückt und nicht erst darauf wartet, 50 Prozent zu bekommen, um Verantwortung zu übernehmen.
Bei Ecolo hofft Vertenueil, dass die Grünen nicht den ein oder anderen Punkt in Sachen Sozialpolitik aufopfern, nur um dafür ein paar ihrer Umweltthemen durchzubekommen. "Ich verlange ein wenig Radikalität in den Positionen, die die Parteien einnehmen. Und besonders in den Entscheidungen, die getroffen werden", sagte Vertenueil. "Wahlprogramme sind das eine. Das andere ist, was später im Regierungsprogramm steht. Erst da kann man dann sehen, welcher politische Wille wirklich besteht, die Wahlversprechen tatsächlich auch umzusetzen."
Die PS kann sich also auf einen kämpferisch eingestellten FGTB-Chef freuen. Auf einen, der an die PS und linke Verbündete glaubt, aber auch anspruchsvoll ist. Und der hofft, dass dieser Anspruch von den linken – sprich: progressiven Parteien wirklich geteilt und nach den Wahlen auch in konkrete Politik umgesetzt wird.
Kay Wagner