"Nach dem 26. Mai will ich die Dinge persönlich in die Hand nehmen - als Premierminister". Seit einigen Tagen kursiert im Internet ein Video der N-VA, in dem Jan Jambon klar und deutlich seine Ambitionen verkündet: Beim nächsten Mal will die N-VA den Premierminister stellen und er wäre eben der Kandidat seiner Partei für das Amt.
"Aha?", hat sich da wohl so mancher gesagt. Jetzt auf einmal will die N-VA also doch auch auf föderaler Ebene das Heft in die Hand nehmen? Darauf angesprochen sagte Jambon am Dienstagmorgen in der RTBF, dass sich die Dinge eben verändert hätten. Damals, vor fünf Jahren, wäre es den Frankophonen einfach nicht zu verkaufen gewesen, dass ein flämischer Nationalist den Posten des Premierministers übernimmt. Und das sei jetzt eben anders, sagt Jambon.
Wichtigster Grund: "Wir haben gezeigt, dass wir keine Dummheiten machen, sondern Verantwortung übernehmen können. Wir haben gezeigt, dass wir Koalitionen eingehen können, auch mit frankophonen Parteien, und dass wir uns dann auch loyal an Absprachen halten", sagt Jambon.
Und mehr denn je wolle die N-VA jetzt Verantwortung übernehmen - auf allen Ebenen. "Wir wollen die Dinge verändern, Reformen durchführen", sagt Jambon. Und das eben aktiv, nicht von der Seitenlinie aus.
Föderalstaat als Geisel?
Nur haben da auf frankophoner Seite immer noch viele Leute mächtig Bauchschmerzen. Im Raum steht die Befürchtung, dass die N-VA den Föderalstaat quasi als Geisel nehmen könnte, von innen blockieren. "Werden wir nicht", verspricht Jambon. "Wir wollen Evolution, keine Revolution. Wir wollen nichts zerstören, sondern die Dinge weiterentwickeln. Im Sinne Flanderns und der Wallonie - ach ja: und von Brüssel."
Nur: Wer - zumal in Belgien - regieren will, der braucht notwendigerweise Koalitionspartner. "Würden Sie denn auch mit der PS sprechen?", wird Jambon von der RTBF gefragt. Es ist ja so, dass Bart De Wever ja schon eine Koalition mit der PS ausgeschlossen hat. Jambon ist nicht ganz so exklusiv wie sein Parteichef. Naja, das Programm der Sozialisten habe nicht sehr viel mit dem seiner Partei zu tun, sagt Jambon. Grundsätzlich könne man aber mit jedem reden, mal abgesehen von extremistischen Parteien. Aber rein inhaltlich werde das mit der PS natürlich schwierig, es sei denn, die Sozialisten nehmen Abstand von einigen ihrer Forderungen.
So weit muss Jan Jambon aber seine Gedanken eigentlich gar nicht spinnen. Die PS will ihrerseits nämlich auch nicht mit der N-VA in ein Boot steigen. PS-Chef Elio Di Rupo hatte schon in Zeitungsinterviews sinngemäß erklärt, dass er "nur im Notfall" eine Koalition mit der N-VA ins Auge fassen könnte.
Wie Öl und Wasser
Paul Magnette, also quasi die rote "Nummer 2", wird da in einem Interview mit der flämischen Wochenzeitschrift Humo jetzt deutlicher: Er könne zu 100 Prozent eine Koalition zwischen seiner Partei und der N-VA ausschließen, wird Magnette zitiert. Die PS und die N-VA, das sei wie Öl und Wasser, das vermenge sich nicht. Magnette träumt vielmehr von einer "progressiven Koalition" aus Sozialisten, Christdemokraten und Grünen. Ein Mittelinksbündnis also, ohne die Liberalen und ohne die N-VA.
So, so, die PS würde also gleich wieder mit der CDH koalieren? Mit der Partei also, die die Sozialisten in der Wallonie vor anderthalb Jahren in die Opposition geschickt hat? "Dieser Verrat habe tiefe Wunden geschlagen", sagt Magnette in Humo. Nur: Benoît Lutgen, der "Mann des Verrats", sei ja nicht mehr Vorsitzender der CDH. Und mit dessen Nachfolger, Maxime Prévot, habe er immer gut zusammengearbeitet, sagt Magnette.
Bei alledem ist aber allen Beteiligten klar: Erstmal hat der Wähler das Wort. Er wird die Karten neu mischen. Und aus Erfahrung weiß man: Je nach Konstellation ist nach der Wahl dann doch wieder alles möglich.
Roger Pint