6. April 1994, Kigali: Eine Rakete zischt durch die Luft, dann noch eine. Sie treffen ein Flugzeug, das in der Luft in Flammen aufgeht und abstürzt. Alle zwölf Insassen kommen ums Leben. An Bord waren illustre Passagiere: der burundische Präsident und mehrere Regierungsmitglieder, aber vor allem: der ruandische Präsident Juvénal Habyarimana. Dieser Habyarimana gehörte zur Volksgruppe der Hutu.
Das ist der Funken, der das Pulverfass Ruanda zur Explosion bringt. Es ist eine Explosion der Barbarei. Radikale Hutus machen systematisch Jagd auf Angehörige der Volksgruppe der Tutsi und auch auf gemäßigte Hutus. Die Menschen werden mit Hieb- und Stichwaffen, und was den Mördern sonst noch in die Hände fiel, buchstäblich abgeschlachtet. Das Ganze mit einer teuflischen Systematik: Innerhalb von drei Monaten wurden nach Schätzungen mindestens 800.000 Menschen grausamst ermordet, andere Quellen sprechen von bis zu 1,2 Millionen Opfern.
Mitten in dem Chaos: UN-Blauhelme. Darunter sind auch belgische Friedenssoldaten. Einige geraten zwischen die Fronten. 7. April 1994: Zehn belgische Paras, die die ruandische Premierministerin bewachen sollen, werden von einer Übermacht von ruandischen Soldaten entwaffnet und brutal getötet.
Das Drama verfehlt in Brüssel seine Wirkung nicht. Hals über Kopf beschließt die Regierung, alle belgischen Blauhelme aus Ruanda abzuziehen. Andere Länder folgen daraufhin dem Beispiel. Resultat: Die ausländischen Beobachter verschwinden und damit haben die Mörder erst recht freie Bahn. Der Völkermord nimmt endgültig seinen Lauf.
Belgien trägt also eine teilweise Mitschuld an der ruandischen Tragödie. Genau dafür hatte der damalige Premierminister Guy Verhofstadt schon im Jahr 2000 um Verzeihung gebeten.
Der heutige, amtierende Premierminister Charles Michel hat sich bei der Gedenkveranstaltung in Kigali jetzt auch wieder zur belgischen Mitverantwortung an den Ereignissen bekannt. Der Völkermord von Ruanda, das sei aber im Grunde das Versagen der gesamten internationalen Gemeinschaft. Die Welt habe den Genozid nicht verhindern, nicht eindämmen, nicht stoppen können.
Dass die ausländischen Militärs in Ruanda dafür eine unmittelbare Mitschuld tragen,... Soldaten, die damals vor Ort waren, und auch die Angehörigen der zehn getöteten Paras, wollen sich diesen Schuh aber nur bedingt anziehen. "Die Jungs konnten doch nichts machen", sagte Martine Debatty, die Schwester von einem der ermordeten belgischen Fallschirmjäger, in der RTBF. Natürlich mussten die Soldaten ohnmächtig zusehen, wie Menschen getötet wurden. Sie hatten aber ihre Befehle; und sie haben auch darunter gelitten.
Die Wunden sind jedenfalls nicht verheilt. Nicht die der Angehörigen der Paras, und erst recht nicht die in Ruanda selbst. Zwar herrscht seit dem Ende des Völkermordes Frieden in dem Land. Wirtschaftlich läuft es zudem gut, man kann fast von einem "ruandischen Wunder" sprechen. Aber: Der Genozid wirft immer noch dunkle Schatten. Fast schon beschwörend klangen da die Worte von Präsident Paul Kagame anlässlich der Gedenkfeier: "Die ineinandergeschlungenen Arme unserer Bürger sind der Grundpfeiler unserer Nation". Ein Appell zur Brüderlichkeit also.
"Wir müssen in jedem Fall die Lehren aus dem Völkermord ziehen", sagte Premierminister Charles Michel in der VRT. "Alle Formen von Diskriminierung, von Rassismus, von Hass, all das bereitet oft den Boden für solche Tragödien, all das kann dafür sorgen, dass ein Konflikt irgendwann offen ausbricht und zu einer Gewaltexplosion führt."
Kranzniederlegung für belgische Paras
Premierminister Michel gedachte am Montag der zehn belgischen Blauhelme. Militärangehörige sowie Familienmitglieder der Opfer und belgische Schüler nahmen an der Zeremonie teil. Mit seinem ruandischen Amtskollegen legte Michel einen Kranz an dem Ort nieder, wo die Blauhelme ums Leben kamen.
Roger Pint
Diese Gedenkveranstaltung war "political correctness" in Reinkultur. Der allgemeine Tenor lautete : u.a. Belgien ist mitverantwortlich für den Völkermord und die "internationale Gemeinschaft" hat versagt. Nur über die Rolle der Ruander, die sich gegenseitig umgebracht haben, hört man fast nicht. Dabei tragen die "génocidaire" die Hauptschuld.
Und außerdem denke ich, müsste Ruanda Belgien um Entschuldigung bitten für den Tod der 10 Paras und der belgischen Zivilisten. Wäre eine starke Geste und gut für die Zukunft.
Da bin ich ganz ihrer Meinung Herr Scholzen.
Überhaupt mischt sich die "internationale Gemeinschaft" viel zu sehr in/bei den Staaten Afrikas ein. Wir bzw. man kann nicht überall die Weltpolizei spielen; jeder sollte mehr vor seiner Haustür kehren.