Am 26. Mai werden die Belgier ja zu den Urnen gebeten: Nun fand in Brüssel das erste vielbeachtete Wahlkampfduell statt.
In die Arena stiegen zwei Parteivorsitzende, nämlich Bart De Wever und Jean-Marc Nollet. De Wever ist bekanntlich Chef der N-VA, stimmenmäßig immer noch die größte Partei des Landes, auch wenn sie nur in Flandern gewählt werden kann. Nollet ist Co-Parteivorsitzer bei Ecolo. Die frankophonen Grünen sind, genauso wie ihre flämische Schwesterpartei Groen, zurzeit mächtig im Aufwind. Für die Wahlen wird ihnen ein gutes bis sehr gutes Abschneiden vorausgesagt.
Zwei Parteivorsitzende also von zwei zurzeit populären Parteien aus zwei verschiedenen Landesteilen: Das versprach einiges an Zunder. Und den gab es auch.
Als "Gladiatoren" wurden Bart De Wever und Jean-Marc Nollet vom Herausgeber der beiden Wirtschaftszeitungen "De Tijd" und "L'Echo" angekündigt.
Die beiden Zeitungen waren Mittwochabend Veranstalter der Debatte in Brüssel. Und bereits vor dem Startschuss ging noch ein besonderes Dankeschön in Richtung Nollet. Denn es sei selten, dass sich ein frankophoner Politiker dazu bereit erkläre, mit Bart De Wever öffentlich zu debattieren. De Wever gilt ja als rhetorisch sehr geschickt und als gewiefter Stratege.
Bedenken, dass ihn das irgendwie einschüchtern könne, zerstreute Nollet gleich bei seiner ersten Antwort. Gefragt danach, ob er De Wever auch persönlich kenne und seine Handynummer habe, um ihn am Wahlabend vielleicht anzurufen, antwortete Nollet lächelnd, aber auch direkt provozierend: "Nein, ich habe seine Nummer nicht. Aber ich freue mich, ihn zu treffen und endlich mal mit ihm diskutieren zu können. Denn donnerstags, wenn die Plenarsitzung in der Kammer stattfindet, sehe ich ihn nicht sehr oft. Er ist nur da, wenn abgestimmt wird. Weil man sonst nicht sein Gehalt bekommt."
Ein erster Treffer, der saß. Doch den Stratege Bart De Wever natürlich nicht vergaß.
Später in der Diskussion erzählte Nollet von einem Journalisten, der bei ihm angefragt habe, wie er sich denn auf dieses brisante Duell mit De Wever vorbereiten würde. Nollet sagte: "Ich konnte dem Journalisten nicht sofort antworten. Denn wir waren gerade dabei, im Parlament – entschuldigen Sie, Herr De Wever – eine wichtige Debatte zu führen über das Klimagesetz. Aber…" Und da unterbrach ihn De Wever: "Das Problem haben wir gelöst!", warf er ein. "Alles ist gut gelaufen. Das Gesetz ist durchgefallen. Volià. Ich habe meine Arbeit im Parlament gemacht. Dann, als es nötig war." "Was für ein Zynismus", kommentierte Nollet.
Solche Scharmützel trugen die beiden Politiker zwischendurch immer mal wieder aus. Blieben dabei aber auffallend fair.
Die Debatte drehte sich um vier Hauptthemen: Nämlich Umwelt und Wirtschaft, Arbeit und Geld, Einwanderung und die Zukunft des Föderalstaates.
Themen, bei denen eigentlich überall N-VA und Ecolo verschiedene Standpunkte einnehmen. Und beide Politiker schafften es durchaus gut, ihre Standpunkte zu vertreten. Beispiel: Steuern.
Hier führte Bart De Wever den ersten Angriff. Nachdem es um die Deckung neuer Ausgaben ging, sagte De Wever: "Woher will Ecolo das ganze Geld nehmen? Sie wollen nicht nur eine Vermögenssteuer einführen für Menschen, die mehr als eine Millionen Euro besitzen. Da sind sie übrigens noch strenger, als die PS. Auch eine Steuer auf Vermögensgewinne wollen sie! Das ist schon der Hammer. Und das ist nur ein Teil eines wahren Steuer-Tsunamis, der da mit Ecolo auf uns zu käme."
Dieser Angriff brachte Nollet keineswegs aus der Fassung. Er sagte: "Wir haben uns bewusst dazu entschieden, die Steuern für Menschen mit niedrigerem Einkommen zu senken, und das Großkapital stärker zu besteuern."
Aufgrund solcher Äußerungen von Nollet konnte es De Wever dann letztlich doch nicht lassen, einen seiner berüchtigten, manchmal zweifelhaften bildlichen Vergleiche zu ziehen. "Das ist jetzt wieder ein Bild, das ich eigentlich nicht gebrauchen wollte", sagte er. "Aber ich sage es jetzt trotzdem: Dieses Programm von Ecolo ist wie eine Wassermelone. Von außen grün, und innen ziemlich rot."
Nollet reagierte darauf nur mit einem belustigten Prusten. Auf Revanche verzichtete er.
Und so blieb es bis zum Schluss dabei: Die beiden Gladiatoren lieferten sich ein hartes, aber faires Duell. Es war angenehm anzuschauen und durchaus informativ. Einen klaren Sieger gab es nicht.
Als Ergebnis hielten Beobachter am Ende vielmehr vor allem fest, dass Welten zwischen N-VA und Ecolo liegen. Eine Zusammenarbeit auf föderaler Ebene zwischen beiden Parteien scheint nach dem Duell unwahrscheinlicher denn je.
Kay Wagner