"Wir sind heißer als das Klima", skandieren einige Demonstranten. Zahlreich waren sie vor allem: 70.000 Teilnehmer forderten erneut eine entschlossenere Klimaschutzpolitik. Im Visier waren alle zuständigen Stellen: die jeweiligen Regionalregierungen, die föderale Ebene und auch die EU-Institutionen.
Auf Belgien bezogen plädierten viele Demonstranten für ein gemeinsames Klimaschutzgesetz, das also für alle Landesteile Emissions-Ziele und Höchstnormen festlegen sollte. Einige forderten eine Reföderalisierung der Materie: Mit - im Moment - vier Energieministern könne das ja nicht funktionieren...
Eine Klima-Demo jagt die nächste: Die Politik steht mehr und mehr unter Zugzwang. Zumal angesichts von Meldungen wie am Montag auf Seite eins von De Standaard: "Die Zahl der Firmenwagen steigt weiter an", schreibt das Blatt. Nie wurden mehr Firmenwagen neu zugelassen als im vergangenen Jahr: Knapp 300.000 waren es.
"Immerhin", notiert das Blatt: Immerhin, es gibt einen immer größeren Konsens darüber, dass die Firmenwagen in Zukunft grüner werden müssen. CD&V-Chef Wouter Beke hatte für einen schrittweisen Übergang zu emissionsfreien Firmenwagen plädiert. Auch der OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo will die steuerlichen Vorteile für Firmenwagen mit Verbrennungsmotor stufenweise auslaufen lassen.
Der Tag nach der Klimaschutzdemo
70.000 Demonstranten, die wohl größte Klimaschutz-Demo aller Zeiten in Belgien. Und dieses Signal kann niemand ignorieren, sind sich die Leitartikler am Montag einig. "Diese Menschen haben die grausame Passivität der Politik protestiert, sagte Juliette Boulet, Sprecherin der Umweltschutzorganisation Greenpeace in der RTBF. Viele hatten selbst entworfene Spruchbänder dabei, die ihnen nicht von irgendwelchen Organisatoren in die Hand gedrückt wurden. Und schon daran habe man gesehen: Die Menschen wissen, worum es geht - sie haben die Probleme sehr genau erfasst.
So langsam aber sicher sähen auch die Politiker ein, dass sich etwas tun müsse. Sogar die föderale Energieministerin Marie-Christine Marghem habe verstanden, dass sich die Proteste auch und vor allem gegen sie und ihre Politik richte. Das gelte aber leider nicht für alle, sagt die Greenpeace-Sprecherin. Gemeint ist damit wohl vor allem N-VA-Chef Bart De Wever. Seine Partei hatte am Samstag auf einem Kongress ihren Wahlkampf eingeläutet. Im Mittelpunkt stand da die Forderung nach Konföderalismus. Das könnte man als den vornehmen Begriff für die Spaltung des Landes bezeichnen. Nur: Sogar in den flämischen Medien ging das weitgehend unter. Alle wollten nur die Reaktion der N-VA auf die wiederholten Klimaschutz-Demos. Die bekam man dann auch von einem sichtlich angesäuerten De Wever: Die junge Generation hat es in der Hand, sagte De Wever. Die Schüler sollten jetzt Wissenschaften studieren, um uns die technischen Lösungen zu liefern. Das sei immer besser, als jetzt in Untergangsstimmung zu verfallen und apokalyptische Visionen zu verbreiten, die einen fast religiösen Charakter haben.
Man könne den Bürgern nicht Veränderungen abverlangen, die absolut unrealistisch seien, fügt De Wever hinzu. Es sei doch nicht normal, dass man jetzt schon ein schlechtes Gewissen habe müsse, nur weil man für einen City-Trip das Flugzeug nimmt. Dieses Zitat von Bart De Wever ist die perfekte Illustration dessen, was die N-VA "Ökorealismus" nennt. In zwei Sätzen: "Wir können nur Maßnahmen ergreifen, wenn wir auch wirklich sicher sind, dass sie realistisch sind. Denn, ohnehin wird es in der Zukunft technische Lösungen für das Problem Klimawandel geben.
"Kopfschütteln bei den Umweltschützern: Unsere Warnungen sind keine pseudoreligiösen Dogmen; wir berufen uns auf wissenschaftliche Tatsachen3, sagt Juliette Boulet von Greenpeace. 3Und wir sind auch keine Apokalyptiker, wenn wir sagen, dass die Zeit drängt. Wenn De Wever zu denen zählt, die den Klimawandel anzweifeln, gut, dann steht der irgendwann alleine da."
"Es ist jetzt oder jetzt", sagte auch die Groen-Vorsitzende Meyrem Almaci am Montagmorgen in der VRT. Das ist ja auch die Botschaft der Demonstranten. Deswegen sei er auch ganz klar ihr Ziel, nach der Wahl im Mai eine Klimakoalition zu schmieden. Erstes Ziel müsse es sein, ein wirkliches "Klimagesetz" auf die Schienen zu setzen. Darin müssen ganz konkrete Ziele ausformuliert werden - inklusive eines wirklichen Investitionsplans. Groen will zudem die größten Umweltverschmutzer über eine CO2-Steuer zur Kasse bitten.
Roger Pint