Die N-VA ist zwar raus aus der Koalition, aber Charles Michel und seine Minderheitsregierung sind den flämischen Nationalisten weiterhin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ohne die Stimmen der N-VA im Parlament läuft nämlich im Grunde genommen gar nichts.
Deren Chef Bart De Wever hat dann auch schon deutlich gemacht, dass der Premier erst einmal das Vertrauen des Parlaments bekommen muss. Das sei nur logisch: "Michel II ist eine neue Regierung, mit neuem Namen und neuem Programm".
Niemand will Neuwahlen
Vizepremier Kris Peeters von der CD&V sieht das anders. Die orange-blaue Koalition ist keine neue Regierung. "Es gibt andere Minister, mit neuen Akzenten. Und vor allem: Die neue Regierung arbeitet im Rahmen des ursprünglichen Regierungsabkommens." Außerdem: Die N-VA Minister hätten die Regierung verlassen, wurden ersetzt durch andere - und: Niemand will Neuwahlen.
Das wäre der Fall, wenn eine Vertrauensabstimmung scheitert. Wie die N-VA abstimmen würde, lässt De Wever noch offen. Aber auch er will Neuwahlen vermeiden. Bart De Wever werde eine sozial-wirtschaftliche Reformpolitik unterstützen. Aber man solle nicht versuchen, ihn zu veräppeln - mit einer zwanglosen Migrationspolitik auf der einen und einem Haushalt auf der anderen Seite, den er unterstützen soll.
Ein Misstrauensvotum plane die N-VA aber auch nicht. Dafür habe man bereits viele gute Dinge abgesprochen, z.B. den Jobdeal oder die Besteuerung der Pensionen. Wenn man mit diesen guten Reformen komme, dann wolle Bart De Wever auch zustimmen.
Einen Blankoscheck wird er Michel dann aber auch nicht ausstellen. "Das hängt davon ab, was in der Regierungserklärung steht und ob man das vorab mit der N-VA abgesprochen hat." Aber, so De Wever: "Wenn man so tue, als ob man die N-VA nicht nötig hätte, um demokratische Mehrheit zu bekommen, dann ist das so etwas wie ein verborgener Staatsstreich".
Kühlen Kopf bewahren
Kris Peeters erklärt der Premier werde Dienstagmittag mit den Fraktionsführern aller Parteien zusammen kommen, um zu schauen, wie es weitergehen soll. "Jetzt geht es vor allem darum, kühlen Kopf zu bewahren, das Ganze professionell anzupacken und vor allem im gegenseitigen Respekt", so Peeters.
Ob es jetzt tatsächlich zu einer Vertrauensabstimmung kommt oder nicht, ist weiterhin unklar. Der juristische Dienst der Kammer erklärte jedenfalls am Dienstagmorgen, dass eine Vertrauensabstimmung im Anschluss an eine Regierungserklärung zwar nicht verpflichtend sei, aber verfassungsmäßige Gewohnheit.
Volker Krings